Endlich eine Neubauwohnung - Ideal wohnen in Rostock

Ausstellung über Rostocker DDR-Plattenbaugroßsiedlungen im Kulturhistorischen Museum

23. Januar 2014, von
„Endlich eine Neubauwohnung“ - Ausstellung im Kulturhistorischen Museum
„Endlich eine Neubauwohnung“ - Ausstellung im Kulturhistorischen Museum

Nicht nur die viel bewunderte Backsteingotik gehört zu Rostocks Architekturgeschichte. Seit dem letzten Jahrhundert wird der größte Teil des Stadtbildes von sogenannten Neubauten geprägt, die mittlerweile auch schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben, waren sie doch zu DDR-Zeiten das Allzweckmittel, um der Wohnungsnot zu begegnen. In seiner aktuellen Sonderausstellung wirft nun das Kulturhistorische Museum einen Blick auf dieses Kapitel der Rostocker Stadtgeschichte und nähert sich damit auch der Lebensumwelt der Einwohner dieser Stadt.

Historische Fotos aus den eigenen Beständen und dem Bundesarchiv ergänzt durch ausgewählte Dokumente zeigen chronologisch die Entwicklung Rostocks als Bezirkshauptstadt und Vorzeigestadt. Über die zentrale Planung, Kunst am Bau, das Wohnungsbauprogramm der DDR und das Wohnungsbaukombinat im sozialistischen Wettbewerb informieren zusätzliche Texte.

Der DEFA-Dokumentarfilm „Willkommen in Rostock“, der 1965 zur Ostseewoche gedreht wurde, präsentiert mit gestellten Aufnahmen das politisch gewollte Selbstbild Rostocks als moderne junge Stadt an der Ostsee.

Ausgestellt werden auch die originalen Messemodelle der Wohnblöcke, darunter der legendäre Typ Wohnungsbauserie (WBS) 70, der Sinnbild für die Monotonie und Uniformiertheit der DDR-Plattenbausiedlungen schlechthin geworden ist und von dem es insgesamt 1,2 Millionen gleiche Wohnungen in der DDR gab. Aber auch Sondertypen wie den WBR 83 R, der extra für Rostock entwickelt wurde und der heute in Toitenwinkel und teilweise in Dierkow zu sehen ist, zeigt die Ausstellung.

Die Ernst-Thälmann-Straße in Reutershagen: in der Aufnahme von HIldegard Levermann-Westerholz aus dem Jahr 1957/58 sieht man die unverputzte Fassade der Stein auf Stein gemauerten Häuser mit Fahnen zum 1. Mai. (Repro.)
Die Ernst-Thälmann-Straße in Reutershagen: in der Aufnahme von HIldegard Levermann-Westerholz aus dem Jahr 1957/58 sieht man die unverputzte Fassade der Stein auf Stein gemauerten Häuser mit Fahnen zum 1. Mai. (Repro.)

In der ersten dieser Rostocker Großsiedlungen, in Reutershagen I, findet man jedoch noch nach sowjetischem Vorbild geprägte nationale Baukultur vor. Ähnlich wie in der Langen Straße wurde hier noch Stein auf Stein gebaut. Erst mit Reutershagen II etablierte sich der industrielle Wohnungsbau. Denn die Bevölkerung wuchs und nach dem Krieg waren noch viele Gebäude zerstört. So begann in den 1950er/60er Jahren der Ausbau Rostocks zum industriellen Zentrum im Norden der DDR mit dem Überseehafen als Tor zur Welt.

Es folgten die Stadtteile Südstadt, Lütten Klein, Evershagen, Lichtenhagen, Schmarl, Groß Klein, Dierkow und Toitenwinkel, das erst nach der Wende – dann in einem anderen Stil – fertiggestellt wurde. Jeder dieser Großsiedlungen ist ein Abschnitt in der Ausstellung gewidmet.

Auf alten Plänen ist zu erkennen, dass das heutige Lütten Klein nur ein Bruchteil dessen ausmacht, was ursprünglich geplant war. Vorgesehen war eine Bandstadt von gewaltigem Ausmaß von Evershagen bis Lichtenhagen. Wegen der Bäche und feuchten Zonen fiel der Entschluss, in drei Abschnitten zu bauen.

Typische Matschwege in den neugebauten Wohnsiedlungen, wo die Bewohner schon eingezogen, die Wege aber noch nicht verlegt waren.
Typische Matschwege in den neugebauten Wohnsiedlungen, wo die Bewohner schon eingezogen, die Wege aber noch nicht verlegt waren.

Für 50.000 Menschen wurde Lütten Klein gebaut. 10.000 Wohnungen gehören zu einem Komplex, zu dem auch Schule, Kindergarten und andere Sozialeinrichtungen gebaut wurden.

Stadtteilzentren fielen meist hinten runter, wie an dem Plan für die Südstadt zu erkennen ist, der ursprünglich viel größere Dimensionen dafür vorsah. Zu hohe Kosten und Materialmangel führten dazu, dass es immer kleiner überplant wurde, bis schließlich nur das Kosmos übrig blieb.

Der Grundriss des Rostocker Stadtteils Schmarl zeigt die runden Formen der Wohnblöcke, die den Wind nicht mehr so durchbrausen ließen.
Der Grundriss des Rostocker Stadtteils Schmarl zeigt die runden Formen der Wohnblöcke, die den Wind nicht mehr so durchbrausen ließen.

Erst in Schmarl spielten die Bedürfnisse der Menschen wieder eine größere Rolle. Vorher wurde das Konzept des gemeinsamen Wohnens und Arbeitens der sozialistischen Menschen, die in gewissem Maße auch uniformiert in ihrer Wohnung sind, noch strenger verfolgt. Nun bot der neue Stadtteil Sitzbereiche und Mietergärten als Rückzugsbereiche.

Eine weitere Neuerung waren die runden und abgeschlossenen Formen, in denen die Wohnblöcke aufgestellt wurden. Zieht der Ostseewind noch ziemlich heftig durch die geraden Straßen von Lütten Klein, verbesserte sich dank dieser neuen Bauweise in Schmarl und allen später gebauten Stadtteile das Klima.

„Wir haben hier in Rostock in der DDR einen sehr hochwertigen Städtebau gehabt“, resümiert Dr. Steffen Stuth. „Obwohl in der DDR alles zentral geplant, zugeteilt und durchgeführt wurde, hat es das Wohnungsbaukombinat geschafft, abwechslungsreicher zu bauen“, sagt der Museumsleiter und verweist auf das Beispiel der Terrassenhochhäuser. Auch seien die Dimensionen nicht so riesig und brachial wie etwa in Halle-Neustadt, wo Siedlungen für 100.000 Menschen gebaut wurden.

Nicht nur Wohnungen, auch Versorgungseinrichtungen wurden gebaut, wie hier das Kosmos in der Südstadt, das sowohl eine Gaststätte als auch eine Zweigbibliothek enthielt. (Foto: Doris Klützow, 1975; Repro)
Nicht nur Wohnungen, auch Versorgungseinrichtungen wurden gebaut, wie hier das Kosmos in der Südstadt, das sowohl eine Gaststätte als auch eine Zweigbibliothek enthielt. (Foto: Doris Klützow, 1975; Repro)

Doch bei aller Freude über Zentralheizung und Warmwasserleitungen – der Städtebau in der DDR vernachlässigte aufs Gröbste die alten Gebäude in der Innenstadt, wie Aufnahmen aus der Pferdestraße und Gärtnerstraße nahelegen. Die Konzentration auf den möglichst schnellen und billigen Neubau führte zu einem Verfall der historischen Bausubstanz, der erst mit der Wende gestoppt wurde. Die Plattenbauhäuser der nördlichen Altstadt wurden in der Ausstellung ausgespart, weil man sich dem Innerstädtischen Städtebau gesondert widmen möchte, so Steffen Stuth.

Auch Einblicke in die Neubauwohnungen gewährt die Ausstellung kaum, wurde sie doch vorrangig aus der Perspektive der Stadtplaner und Architekten konzipiert.

Dennoch sind die Rostocker aufgerufen, ihre Erinnerungen und Anekdoten aufzuschreiben und dem Museum einzureichen. Haben sie beim Einzug auch gedacht: „Endlich eine Neubauwohnung“? So lautet der Titel der Ausstellung, die noch bis zum 25. Mai 2014 besichtigt werden kann.

Im Vordergrund die Rostocker Variante des WBS 70, im Hintergrund Kunst am Bau und die Terrassenhochhäuser von Evershagen
Im Vordergrund die Rostocker Variante des WBS 70, im Hintergrund Kunst am Bau und die Terrassenhochhäuser von Evershagen

Öffentliche Führungen gibt es jeden Donnerstag um 14 Uhr, Sonntagsführungen am 26.01., 23.02., 30.03., 27.04. und 25.05. jeweils um 11 Uhr.

Vorträge und Filme:

  • Do 27.02.2014, 17:00 Uhr „Hundert Bilder vom neuen Rostock. Die Wohnsiedlungen in historischen Fotografien“ von Dr. Steffen Stuth
  • Do 24.04.2014, 17:00 Uhr „Rostock im Film: Jubiläum einer Stadt -750 Jahre“ Der Film zum Bau des Überseehafens (mit Einführung)
  • Do 15.05.2014, 17:00 Uhr „Die Architektur der DDR – Eine Aufgabe für die Denkmalpflege“ Vortrag von Peter Writschan

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