„Freiheit und Zensur“ - Ausstellungseröffnung im Haus Böll

Kurator Claus Löser und Filmdozent Matthias Spehr geben einen Einblick in die Filmgeschichte der DDR

24. August 2011, von
"Freiheit und Zensur - Filmschaffen in der DDR zwischen Anspassung und Opposition"
"Freiheit und Zensur - Filmschaffen in der DDR zwischen Anspassung und Opposition"

Die Filme der Deutschen Film AG (DEFA) erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. „Die Legende von Paul und Paula“, „Heißer Sommer“ oder „Die Geschichte vom kleinen Muck“ gehören vermutlich zu den berühmtesten DEFA-Filmen. Die Ausstellung „Freiheit und Zensur – Filmschaffen in der DDR zwischen Anpassung und Opposition“ beleuchtet jedoch auch „Nischenfilme“, wie Claus Löser sie nennt. Der Berliner Filmkritiker hat die Ausstellung konzipiert und die Texte dafür verfasst.

Ausstllungsmacher Claus Löser und Matthias Spehr beim Filmgespräch
Ausstllungsmacher Claus Löser und Matthias Spehr beim Filmgespräch

Für ihn ist Filmgeschichte „eine Folie oder auch ein Kommentar“ zur aktuell herrschenden politischen Lage. „Man darf die DEFA nicht allein als Vollzugsorgan der Tagespolitik sehen“, so Löser. Denn es gebe nicht nur propagandistische, sondern auch künstlerisch anspruchsvolle und humanistische Filme aus dieser Zeit. „Gerade heute, 20 Jahre nach dem Ende der DDR, haben wir die Chance, diese Filme in einem anderen Licht zu sehen und dabei vielleicht umzuwerten.“

Peter Ensikat ("Film-Atze") kommentiert auf den Plakaten, meist satirisch, jeden einzelnen Film
Peter Ensikat ("Film-Atze") kommentiert auf den Plakaten, meist satirisch, jeden einzelnen Film

Auf 22 Plakaten wird jeweils ein ausgewählter Film der DEFA vorgestellt. Die Fakten zu den einzelnen Filmen werden mit Informationen zur Zeitgeschichte, Fotos und einem Zeitstrahl ergänzt. Ganz unten ist jeweils ein Kommentar des Kabarettisten Peter Ensikat zu lesen. Er bewertet die Filme unter dem Pseudonym „Atze“ aus seiner eigenen, sehr persönlichen Sichtweise. Der Autor, der 1941 geboren wurde, hat die Zeit, die sich in den DEFA-Filmen widerspiegelt, aktiv miterlebt. Filme, die auf Druck der SED-Führung entstanden und die Vorzüge des Sozialismus propagieren, wie „Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse“, betrachtet er dabei besonders satirisch.

Auf einem Fernseher sind Ausschnitte von sieben ausgewählten DEFA-Filmen zu sehen
Auf einem Fernseher sind Ausschnitte von sieben ausgewählten DEFA-Filmen zu sehen

Die Ausstellungsplakate sind in vier Kategorien unterteilt, von „Kriegsende und Aufbruch“ bis „Von der Biermann-Affäre zur Wiedervereinigung“. Die unterschiedlichen Farben helfen dem Besucher die Übersicht zu behalten. Auf einem Fernseher im hinteren Teil der Ausstellung können außerdem Ausschnitte von sieben DEFA-Filmen angeschaut werden. Aufbereitet und ausgewählt wurden sie von Matthias Spehr und dem Institut für neue Medien Rostock (ifnm).

Zusätzlich wurde in die Ausstellung eine Filmreihe integriert. Angelehnt an den regelmäßig stattfindenden Filmclub „Blickfang“ des ifnm werden im Haus Böll vier DEFA-Filme mit anschließendem Filmgespräch gezeigt. Für die Ausstellungseröffnung fiel die Wahl auf den ersten Nachkriegsfilm, „Die Mörder sind unter uns“ von 1946. Zwischen den Trümmern von Berlin wird eine Geschichte über Vergangenheitsbewältigung und Zuversicht erzählt. Darin zu sehen ist die junge deutsche Schauspielerin Hildegard Knef in ihrer ersten großen Filmrolle.

Das Haus Böll lädt anlässlich der Ausstellung zur Filmvorführung mit anschließendem Gespräch ein
Das Haus Böll lädt anlässlich der Ausstellung zur Filmvorführung mit anschließendem Gespräch ein

Auch 65 Jahre nach der Premiere beeindruckt der Film noch durch eine ausgeprägte Bildsprache und verschiedene Blickwinkel auf die Hauptdarsteller – im Spiegel oder als Schatten. Die teilweise skurrilen Charaktere und der trockene Humor der Hauptfigur Hans Mertens bringen das Publikum im Haus Böll in manchen Momenten zum Lachen. Der Ernst der Nachkriegsjahre ist jedoch durchgängig zu spüren. Wie der traumatisierte Hans Mertens sinniert, sei der Frieden nur ein kurzes Atemholen bis zum nächsten Massensterben.

Hinter der Ausstellung im Haus Böll steht das Wilhelm-Fraenger-Institut Berlin und die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Anfang August wurde sie bereits in Berlin, zum 50-jährigen Jubiläum des Mauerbaus präsentiert. Im Haus Böll ist die Ausstellung noch bis zum 29. September, montags bis donnerstags jeweils von 10 bis 17 Uhr zu besichtigen. Die nächsten drei DEFA-Filme werden am 30. August („Berlin-Ecke Schönhauser“) sowie am 6. („Spur der Steine“) und 13. September („Einer trage des anderen Last“) jeweils um 20 Uhr gezeigt.

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