Uhrmenschen kommen nach Rostock

Internationales Symposium „Mittelalterliche astronomische Großuhren“ soll vom 25. bis 28. Oktober in Rostock ein wichtiger Meilenstein der astronomischen Uhr in der Rostocker Marienkirche auf dem Weg zum UNESCO-Weltkulturerbe werden

23. Oktober 2012, von
Astronomische Uhr in der Marienkirche
Astronomische Uhr in der Marienkirche

20 Jahre bevor Columbus Amerika entdeckt hat, hat sie schon präzise die Zeit angezeigt. Sie ist ein Schatz in vielerlei Hinsicht – kulturell, wissenschaftlich und technisch: die astronomische Uhr in der Marienkirche. Deshalb wünschen sich ihre Fans, dass das wertvolle Kunstwerk oder die ganze Familie der astronomischen Großuhren in Europa in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen wird und so besonderen Schutz genießt. Ganz besonders die Rostocker Uhr, denn ihre Einzigartigkeit und Originalität sind unbestritten. „Sie ist die einzige dieser Großuhren, die noch mit ihrem ursprünglichem Laufwerk aus dem Mittelalter läuft, bestens funktioniert, Tag für Tag von Hand aufgezogen wird und Tausende Touristen jedes Jahr anlockt“, unterstreicht Pastor Tilman Jeremias die Bedeutung des Zeitmessers.

Internationales Symposium „Mittelalterliche astronomische Großuhren“ 2012
Internationales Symposium „Mittelalterliche astronomische Großuhren“ 2012

Ob sie es tatsächlich einmal auf die prestigeträchtige Liste der UNESCO schaffen wird, ist noch völlig offen und es kann noch einige Jahre dauern. In diesem Jahr hat das Kultusministerium das Schweriner Schloss und das Doberaner Münster auf die deutsche Vorauswahlliste setzen lassen. Auf dieser Grundlage wird die Kultusministerkonferenz 2014 entscheiden, welche Vorschläge an das UNESCO-Komitee weitergereicht werden. In Schwerin rechnet man mit mehreren Hunderttausend Euro Bewerbungskosten, inklusive eines Gutachtens, in dem die Chancen bereits auf weniger als 50 Prozent eingeschätzt wurden. Das könnte damit zu tun haben, dass Schlösser und kirchliche Bauten insbesondere auf der deutschen Welterbeliste überrepräsentiert seien, spekuliert man in Rostock. Mittelalterliche technische Denkmäler hingegen sind extrem selten. Deshalb sollten solche Objekte stärker in den Blickpunkt gerückt werden, meint Astronom Professor Dr. Manfred Schukowski, ausgewiesener Kenner von astronomischen Uhren.

Wolfgang Fehlberg von der Sondersammlung der Universität, ergänzt: „Auf der gesamten Welterbeliste befindet sich kein Denkmal, das sich direkt mit der Zeitmessung beschäftigt.“

Wolfgang Fehlberg von der Universität, Astronom Manfred Schukowski, Denkmalpflegerin Uta Jahnke und Pastor Tilmann Jeremias in der Marienkriche
Wolfgang Fehlberg von der Universität, Astronom Manfred Schukowski, Denkmalpflegerin Uta Jahnke und Pastor Tilmann Jeremias in der Marienkriche

Unterstützung erhoffen sich beide vom versammelten Sachverstand von über 100 Fachleuten, die ab Donnerstag vier Tage lang auf dem internationalen Symposium „Mittelalterliche astronomische Großuhren“ in Rostock tagen.

„Wir wissen so ein Vorhaben muss fundiert vorbereitet sein. Das Symposium ist dafür ein ganz wichtiger Meilenstein“, sagt Uta Jahnke vom Denkmalpflegeamt, die ehrenamtlich die Organisation der Tagung unterstützte. Stadt, Kirche, Universität und die Deutsche Gesellschaft für Chronometrie haben das Treffen gut zwei Jahre lang vorbereitet. Nachdem sich die Experten für astronomische Uhren bereits vier Mal in Danzig und einmal in Stralsund getroffen haben, ist es das sechste Symposium dieser Art seit 1988.

Anlass ist der 540. Jahrestag eines Ablassbriefes, der in Ermangelung anderer Dokumente als Geburtsurkunde der astronomischen Uhr in Rostock gilt. Mit dem auf den 26. Oktober 1472 datierten Ablassbrief erließ Bischof Werner von Schwerin vierzehntätigen Ablass für all jene, die für die Fertigstellung der neuen Uhr in der Marienkirche spendeten.

In einem anspruchsvollen und thematisch breit gefächerten Programm wollen sich Teilnehmer aus verschiedenen europäischen Ländern nicht nur mit der Rostocker Uhr auseinandersetzen. Referenten aus Deutschland, Polen, Schweden, der Schweiz und New York bringen das einzelne Objekt in einen größeren Zusammenhang und beleuchten die Rolle der Uhren im mittelalterlichen städtischen, kirchlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen Leben.

Detail der Astronomischen Uhr in der Rostocker Marienkirche
Detail der Astronomischen Uhr in der Rostocker Marienkirche

„Für viele steht die Uhr vordergründig als ein historisches Denkmal, das vor langer, langer Zeit, schon funktioniert hat. Aber dass die Uhr durchaus von Interesse für moderne Forschung ist, zeigt sich daran, dass wir mit Unterstützung der Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik eine Laservermessung der Uhr von außen vornehmen konnten. Dabei hat man 3,8 Millionen Messpunkte aufgenommen. Dadurch ist es jetzt möglich, jedes noch so kleine Teil von der Vorderfassade der Uhr zu rekonstruieren, falls es einmal zu Beschädigungen kommen sollte“, erklärt Wolfgang Fehlberg. Auch die Zeitmessung an sich ist für Wissenschaftler damals wie heute ein spannendes Forschungsobjekt. Davon zeugen die mittelalterlichen Monumentaluhren, aber auch einer der diesjährigen Physiknobelpreisträger, der für seine Beschäftigung mit moderner Zeitmessung ausgezeichnet wurde.

Obwohl die Fachleute beim Rostocker Symposium weitestgehend unter sich bleiben, ist auch die Öffentlichkeit zu einigen Veranstaltungen eingeladen. So stehen insbesondere die Vorträge am Donnerstag in der Marienkirche bei freiem Eintritt interessierten Besuchern offen und auch am Freitagabend wird es ab 19:30 Uhr in der Aula im Haus der Musik öffentliche Vorträge zu einem kleinen Eintrittpreis geben. Im Anschluss daran wird der neue Bildband über die Rostocker astronomische Uhr „Sonne, Mond und 12 Apostel“ vorgestellt.

Das genaue Programm des Symposiums befindet sich auf der Website.

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