Kostengünstige Deiche aus Baggergut

Die Universität Rostock testet neuartige Materialien und Verfahren, um Baggergut aus Flüssen und Bodden für Deichbauten entlang der Ostseeküste zu verwenden

14. Juni 2012
Dr. Stefan Cantré überwacht die letzten Bauarbeiten an der Versuchsbaustelle auf den Spülfeldern der Stadt
Dr. Stefan Cantré überwacht die letzten Bauarbeiten an der Versuchsbaustelle auf den Spülfeldern der Stadt

Für Deichbauten entlang der Ostseeküste könnte künftig Baggergut aus Flüssen und Bodden verwendet werden. Das würde im Deichbau enorme Kosten sparen.

Federführend leitet die Rostocker Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät unter Leitung von Professor Fokke Saathoff vom Lehrstuhl für Geotechnik und Küstenwasserbau in Kooperation mit der Technischen Universität Danzig (Polen) und dem Steinbeis Transferzentrum für Angewandte Landschaftsplanung auf dem städtischen Spülfeld „Radelsee“ in Markgrafenheide das mehrjährige Forschungsprojekt DredgDikes (Nassbaggergut-Deiche), das von der EU mit 1,85 Millionen Euro kofinanziert wird. Neben den zuständigen Behörden aus Deutschland und Polen sind auch Unternehmen aus Deutschland, Polen, Litauen und Lettland beteiligt.

Das Ziel: Die Forscher testen Baggergut als Ersatzmaterial für den Deichbau in großmaßstäblichen Versuchen. Die ersten zwei parallel angelegten Versuchsdeiche sind jetzt auf den Spülfeldern der Hansestadt Rostock errichtet worden. Dafür wurde feinkörniges Baggergut aus Mecklenburg-Vorpommern als Baumaterial verwendet. Die Testdeiche haben eine Höhe von 3,30 Metern. Sie sind etwa 150 Meter lang und am Fuß 50 Meter breit. Die Bauwerke sind in acht Abschnitte geteilt, an denen unterschiedliche Bauweisen, Materialien und Querschnitte getestet werden. Im Langzeittest werden jetzt die Eigenschaften der Baumaterialien auf Durchsickerung und Erosionsstabilität, aber auch ihr Verhalten bei Überflutung untersucht. Verbaut wurden unter anderem Seesand für den Deichkern und Baggergut von der Warnowquerung für die Deckschicht. Dieses Material ist mehrere Jahre lang gereift. „Beim Bau der Versuchsdeiche hat die Firma UTL aus Kaschow (Mecklenburg-Vorpommern) hervorragende Arbeit geleistet“, resümiert Projektkoordinator Dr. Stefan Cantré.

„Wir sind begeistert von dieser Forschung und froh, dass wir die Universität Rostock mit im Boot haben“, sagt Hans-Joachim Meier, Leiter des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg. „Wenn es den Forschern gelingt, den Nachweis zu erbringen, dass Baggergut für den Deichbau genutzt werden kann, bringt das gerade für Mecklenburg-Vorpommern große Vorteile.“ Meier verweist auf notwendige Küstenschutzmaßnahmen, beispielsweise auf dem Darß. „Wenn wir Baumaterial über lange Wege für den Deichbau anfahren lassen, oder Sand aus der Ostsee baggern müssen, kostet das viel Geld oder erfordert lange Genehmigungsverfahren. Wir verfolgen die Forschungen der Universität auf diesem Gebiet mit großem Interesse und wirken gern als Praxispartner des Hoch- und Küstenschutzes mit.“

„Die neuen Bauweisen, die wir entwickelt haben, rufen international großes Interesse hervor“, sagt Prof. Fokke Saathoff. Die Rostocker Wissenschaftler wollen herausfinden, ob sich verschiedene Arten von Baggergut als Baustoffe für den Deichbau eignen und in welchen Fällen man die Eignung herbeiführen kann, indem man beispielsweise Geokunststoffe als Erosionsschutz oder als Bewehrungsschicht mit verbaut.

Baggergut falle nicht nur an der Küste, sondern auch im Binnenland an, sagt Dr. Cantré. Allein auf den Rostocker Spülfeldern, die von der Hansestadt Rostock betrieben werden, könnten jährlich bis zu 200.000 Kubikmeter aufbereitet werden. Getrocknet eignet sich das feinkörnige Bodenmaterial mit seinem Humusanteil unter anderem auch für den Landschaftsbau.

Wurde lange Zeit das Baggergut ohne Nutzungsabsicht verspült, erfolgte zwischen 1991 – 2000 ein Umbau der Spülfelder Radelsee und Schnatermann in der Nähe Rostocks zu einer industriellen Absetz-und Aufbereitungsanlage (IAA) für Nassbaggergut. Die Spülfelder stehen unter Aufsicht des Tief- und Hafenbauamtes Rostock. „Wir haben großes Interesse an effektiven Nutzungsstrategien für Baggergut“, sagt Amtsleiter Heiko Tiburtius und ist stolz, dass Rostock damit federführend in der Fachwelt ist. Alle zwei Jahre findet in der Hansestadt ein Baggergutseminar statt, auf dem neueste Erkenntnisse besprochen werden.

Die Hansestadt Rostock stellt eine mehrere Hektar große Fläche zum Bau und zur Instandhaltung der Testdeiche auf dem Spülfeld Radelsee für die nächsten Jahre zur Verfügung. Diese Deiche werden auf dem Spülfeld mindestens fünf Jahre nach Projektende bestehen bleiben, sodass unter Regie des Tief- und Hafenbauamtes auch weiterhin Tests durchgeführt werden können.

Neben den Versuchsdeichen in Rostock wird ein Pilotdeich in der Nähe von Ribnitz-Damgarten errichtet und anschließend ein dreisprachiges Handbuch zur Verwendung von Baggergut im Deichbau erstellt, das in der Region der südlichen Ostsee verteilt werden soll.

Quelle: Universität Rostock

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