Armin Mueller-Stahl - "Es gibt Tage ..."
Der Schauspieler musiziert mit Günther Fischer und Tobias Morgenstern am 26. September in der Stadthalle

Die Welt von gestern ist zugleich die Welt von heute. Es kommt nur darauf an, wie man sie interpretiert. Vergangenheit ist eine Illusion. Die Dinge geraten nur scheinbar in Vergessenheit, alles kehrt irgendwann wieder. Es bedarf der Kraft der kreativen Erinnerung, um diese Wiederkehr mit Poesie auszufüllen.
Der deutsche Schauspieler Armin Mueller-Stahl gibt seit Jahrzehnten unterschiedlichsten Figuren Gestalt. Als Thomas Mann in der Fernsehserie „Die Manns“ oder als freundlich diabolischer Boss der britischen Russenmafia in „Tödliche Versprechen“ – um nur zwei von unzähligen Rollen seiner über 50-jährigen Laufbahn zu nennen – hat er die gegensätzlichsten Charaktere verkörpert. Der 1930 in Tilsit geborene Darsteller ist einer der ganz wenigen lebenden deutschen Stars auf dem internationalen Film-Parkett. Doch angesichts der vielen Rollen vergisst man bei Schauspielern oft, dass sie auch eine eigene Geschichte haben. Gemeinsam mit den beiden Musikern Günther Fischer und Tobias Morgenstern gibt Armin Mueller-Stahl nun auf der CD ,,Es gibt Tage … “ einen Teil seiner Geschichte preis. Es ist keine in Songs gehauene Autobiografie und erst recht nichts, was der Mime schon immer mal loswerden wollte. Diese Lieder sind vor mehr als 45 Jahren in der DDR entstanden. Sie kommen aus einer ganz anderen Zeit, die heute beinahe so fern erscheint wie das Mittelalter und doch noch ganz nah ist. Mueller-Stahl scheute sich lange, diese Songs überhaupt zu veröffentlichen: „Es war ein Wunsch meiner Frau, die Lieder auch mal ins Leben zu bringen. Aber während der Produktion entdeckten wir, dass einige von ihnen immer noch aktuell sind.“
In seinen Songs entfaltet Armin Mueller-Stahl eine seltsame, geradezu skurrile und doch sehr poetische Welt, die in der DDR von beklemmender Wirklichkeit war. Man kann sich auf ganz unterschiedliche Weise an jenes politische Gebilde zwischen Ostsee und Erzgebirge erinnern. Aber da war immer ein Gefühl von latenter Bedrohung, dem auf unterschiedlichste Weise zu entfliehen suchte, wer sich nicht mit Partei und Staat arrangieren wollte. Die einen flohen in den Westen, andere in den Widerstand und wieder andere in die Poesie des Alltags. Armin Mueller-Stahl gelingt eine grandiose Symbiose aus allen drei Zuständen. Da sind Lieder, die ganz konkret das politische System und seine Folgen für den Einzelnen beschreiben, und andere, die sich einfühlsam mit dem Alltag, der Liebe oder Naturbeobachtungen beschäftigen. Ein zentrales Thema, das er zum Beispiel im zweiten Song „Nun wart ich jede Stunde“ behandelt, ist der Abschied. „Wenn man, wie ich, im Osten Berlins lebte, wurde man immer wieder verlassen. In meinem heutigen Alter sind es Menschen, die sterben. Damals waren es Leute, die die DDR verließen. Wenn es Menschen waren, die man mochte, war es immer ein schmerzvoller Abschied.“
Viele der Lieder bauen auf Metaphern auf. In unseren heutigen Ohren klingen sie wie Fabeln. Geschichten von Tieren oder Gegenständen, hinter denen etwas ganz anderes steckt. Die DDR war sicher keine metaphorische Gesellschaft, aber für kreative Geister gehörte es zum Überleben, für alles und jedes Gleichnisse zu finden. Wenn eine Metapher zu einfach war, fand man eben eine Metapher für die Metapher. Irgendwann begann man, verklausuliert zu denken. Dieses Denken schlägt sich auch auf der CD nieder. Mueller-Stahl trug all diese Lieder und Gedanken Jahrzehnte mit sich im Kopf. Sie verließen ihn weder nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik in den achtziger Jahren noch während seiner erfolgreichen Karriere in Hollywood. „Als Günther Fischer sich ans Klavier setzte und ich ihm einige Melodien vorsang, setzte so ein merkwürdiger Rückmarsch in die Vergangenheit ein“, bestätigt der 5O-jährige CD-Debütant. „Plötzlich begann ich noch einmal, die Welt mit den Augen eines 35-jährigen zu sehen. Dieser Vorgang hat mir Spaß gemacht. Er tut nicht mehr weh. In meinem Alter sieht man Dinge, die einen früher bedrückten, locker und gelassen. Damals hingegen konnte ich alles, was mich bedrückte, in skurrilen Liedern abhandeln.“
Die Historiker streiten sich, wie mit der DDR umzugehen ist. Armin Mueller-Stahl war zugleich ein Prominenter dieses Staates als auch ein Opfer der Stasi. Er singt über traurige und düstere Themen, doch er bringt all dies mit einer derart unbeschwerten Heiterkeit zu Gehör, dass alle Bitterkeit aus den Liedern schwindet. Dabei half der zeitliche Abstand genauso wie die musikalische Umsetzung durch Günther Fischer und Tobias Morgenstern. „Wir haben versucht“, so Armin Mueller-Stahl, „die schweren Texte immer wieder musikalisch heiter ausklingen zu lassen oder mit einer leichteren musikalischen Variante zu brechen. Das haben Günther Fischer und Tobias Morgenstern ganz hervorragend gemacht. Ich finde grundsätzlich, dass schwere Themen heiter abgehandelt werden sollten. Der schöne Widerspruch erzeugt dann Reibung und macht es interessanter.“
Mit Günther Fischer verbindet den Schauspieler eine lange persönliche Freundschaft. Fischer war nicht nur ein bekannter Jazz-Saxofonist in der DDR, der Songs für Chansonniers und Schauspieler komponierte und mit seiner Band begleitete, er war auch ein international geachteter Filmkomponist, dessen Radius schon vor 1989 weit über Ostdeutschland hinaus bis nach Hollywood reichte. Genannt seien nur Filme wie „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ mit Marlene Dietrich oder „Solo Sunny“. Die beiden lernten sich vor 47 Jahren kennen, als Fischer noch Student war. Für den Musiker, Produzent und Arrangeur war es nach der langen Zeit nicht schwer, sich auf die Texte seines Freundes einzulassen, denn er hatte die Songs nicht nur damals schon begleitet, viele Erinnerungen an die gemeinsamen Jahre in der DDR decken sich auch mit denen des Schauspielers. „Ich hatte die Lieder nur noch schwach in Erinnerung“, rekapituliert Fischer. „Damals hatten wir sie mit Jazz-Quartett gespielt, diesmal wollten wir sie etwas sparsamer und wirkungsvoller umsetzen. Ich flog zu Armin nach Los Angel es und wir tasteten uns langsam heran. Vielleicht lag es an der Inspiration dieser ganz anderen Welt, dass ich mich dort noch stärker in den Inhalt der Texte hineindenken konnte. Armin war immer auf Sparsamkeit bedacht. Dadurch entstand etwas, das nicht nur für sich simpel, sondern zugleich einfach und substanziell war.“
Diese entwaffnende Einfachheit, die Fischer hier erwähnt, ist das Element, das heute auch all jenen Zugang gewährt, die nicht die Erinnerungen der beiden Akteure teilen. Fischer bearbeitete die Lieder, spielt Klavier und manchmal Saxofon, Tobias Morgenstern, den man aus Gruppen wie Bayon und L’art de Passage kennt, flankiert die beiden am Akkordeon und gibt den Songs Tiefe und ein Geühl von spontaner Geschmeidigkeit. Es ist ein intimer Dialog zwischen drei Menschen, bei dem es nicht um die Texte allein geht, sondern der auch die Instrumente zu Stimmen werden lässt. Diese Lieder gehören in eine Welt von gestern und doch gehen sie auch die Welt von heute an. Die Erinnerung holt Armin Mueller-Stahl immer wieder ein, wie zum Beispiel in dem Song „Brief an einen toten Geliebten“, in dem es um den Vietnam-Krieg geht. „Dieser Brief einer Vietnamesin, die niemanden mehr hatte, dem sie schreiben konnte, hat mich damals sehr berührt, aber auch heute ist der Song noch sehr aktuell. Wenn in einem friedlichen Jahr wie 2009 15 Millionen Menschen an Kriegen, AIDS und Hunger sterben, sehen wir; wie die Welt heute ist. Sie hat sich verändert und doch ist sie noch genauso, wie sie damals war.“
Diese CD ist eben nicht nur ein Rückblick, sondern der überaus wache Kommentar eines sensiblen Chronisten, der in 80 Lebensjahren begriffen hat, dass das Leben aus Wiederholungen besteht. Es ist Armin Mueller-Stahls besondere Stärke, dabei niemanden zu denunzieren. Selbst wenn er in „Marie hat eine Nase“ über die Stasi singt, gewinnt er diesem Sujet noch menschliche, wenn auch humoristische Töne ab. Günther Fischer führt diesen Zug auf das Wesen des Grandseigneurs der deutschen Schauspielkunst zurück „Es ist Armins große Stärke, eben nicht zu denunzieren. Das widerspräche seinem Charakter. Er hat das einfach nicht nötig. Das ist der Grund, warum man so locker an alles herangehen kann. Man nimmt diese Sache niemals zu ernst und verbeißt sich nicht“.
„Es gibt Tage … “ ist ein Album, das berührt, eine CD, die auf jeden überflüssigen Ton, jedes redundante Wort verzichtet. Die Lieder gehen unter die Haut, gerade weil sie so nackt, ehrlich und ungeschminkt dargeboten werden. „Es gibt Tage … “ ist mehr als eine Sammlung von Songs oder eine Reise in die Erinnerung – es ist eine Inszenierung, in die der Hörer mit atmosphärischer Nähe und spontanen Lachern vom ersten Augenblick an eingebunden wird.
Am Montag den 26. September werden Armin Mueller-Stahl, Günther Fischer und Tobias Morgenstern in der Stadthalle Rostock zu Gast sein. Vorstellungsbeginn ist 20 Uhr. Karten gibt es an den bekannten Vorverkaufskassen, im Internet unter www.goliath-show.de und unter der Tickethotline 0381 – 609350 (auch Kartenversand).
Quelle: GOLIATH Show & Promotion GmbH