Wohnschiff, Container und Sporthalle für Geflüchtete

Zur Unterbringung von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine plant Rostock die Errichtung neuer Gemeinschafts- und Notunterkünfte

9. März 2023, von
Rostock plant ein Containerdorf im Osthafen sowie ein Wohnschiff im Stadthafen zur Unterbringung Geflüchteter (Foto: Archiv)
Rostock plant ein Containerdorf im Osthafen sowie ein Wohnschiff im Stadthafen zur Unterbringung Geflüchteter (Foto: Archiv)

Die Hanse- und Universitätsstadt Rostock erwartet 2023 deutlich mehr Asylsuchende. Da die bestehenden Plätze in Gemeinschafts- und Notunterkünften nicht mehr ausreichen, sollen zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden. Am Abend hat die Stadtverwaltung auf einer Veranstaltung in der Michaelschule über ihre Pläne zur Unterbringung Geflüchteter informiert. Im Stadthafen soll ein Wohnschiff festmachen, im Osthafen ein Containerdorf entstehen und übergangsweise eine Sporthalle in Gehlsdorf als Notunterkunft genutzt werden.

Starker Anstieg der Asylbewerber erwartet

Kommunen haben die Pflicht, Asylsuchende aufzunehmen, unterzubringen und zu integrieren, stellt Sozialsenator Steffen Bockhahn (parteilos) klar: „Diese Pflicht kann und wird nicht verhandelt werden!“ Aufgrund eines positiven Corona-Tests war er per Video zugeschaltet.

Die Unterbringung von Geflüchteten wird für Rostock jedoch zunehmend zu einer „großen Herausforderung“, verweist Bockhahn auf die Entwicklung der Zahlen: 2020 sind im gesamten Jahr 128 Asylsuchende nach Rostock gekommen, 2021 waren es 180. Im vergangenen Jahr wurden der Hansestadt 415 Asylbewerber vom Land zugewiesen, zusätzlich kamen mehr als 3.200 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Rostock – obwohl nicht mehr alle da sind, „eine ganz gewaltige Zahl und das merkt man auch in der Stadt“, so Bockhahn. Der Ausländeranteil liegt in Rostock aktuell bei etwa 9,4 Prozent. Knapp jeder zehnte Einwohner hat keinen deutschen Pass – jedoch keineswegs nur Geflüchtete, sondern auch zahlreiche EU-Bürger.

In den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres kamen bereits 296 Asylbewerber nach Rostock. Für das gesamte Jahr 2023 wird mit etwa 1.000 gerechnet, dazu kommen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

Wohnschiff, Containersiedlung und Sporthalle für Geflüchtete geplant

Zum Stichtag 28. Februar 2023 wurden in Rostock sieben Gemeinschaftsunterkünfte mit einer Gesamtkapazität von 1.545 Plätzen (Auslastung: 1.289) sowie die Notunterkunft in der Industriestraße mit 300 (235) Plätzen betrieben. Zusätzlich wurden 350 Wohnungen angemietet.

„Aber es reicht nicht“, erklärt Senator Bockhahn, „wir müssen neue Einrichtungen schaffen.“ Bereits Ende April, Anfang Mai soll ein Wohnschiff für über 200 Menschen im Stadthafen festmachen – der Liegeplatz steht noch nicht fest. Im Osthafen soll auf einem städtischen Grundstück „Bei der Knochenmühle“ ein neues Containerdorf entstehen. In zweigeschossiger Bauweise bietet es 200 bis 250 Personen Platz. Angelegt ist es auf zwei Jahre, mit Verlängerungsoption.

Kurzfristig wird neben den beiden neuen Gemeinschaftsunterkünften jedoch auch eine weitere Notunterkunft benötigt. Dafür muss bereits nächste Woche die Sporthalle in der Gehlsdorfer Steuerbordstraße geschlossen werden. Bis zu 100 Geflüchtete können dort untergebracht werden.

Kritik an Sporthallenschließung

Als „die am wenigsten erfreuliche Option“ bezeichnet Bockhahn selbst die Nutzung von Sporthallen und versichert, dass diese nur so lange wie nötig als Notunterkunft dienen soll. Sobald das Wohnschiff da ist, soll die Sportstätte möglichst wieder geräumt werden.

„Wir haben uns die Frage, welche Sporthalle wir nehmen, nicht leichtgemacht“, sagt der Senator. Schulsport findet in der Halle nicht statt, für den Kita-Sport wurden bereits Alternativen gefunden. Die benachbarte Schwimmhalle und das Schulschwimmen sind nicht betroffen.

Von der Schließung betroffen ist jedoch der Vereinssport, auch im Kinderbereich. Das stieß auf teils emotionale Kritik, etwa bei Carolin Häusler vom SV Dynamo Rostock: „80 Prozent unseres Vereins besteht aus Kindern und Jugendlichen – ihnen wird ihre Sportheimat weggenommen.“ Nachdem bereits während der Corona-Pandemie nur ein Online-Training möglich war, „stehen jetzt wieder 80 Kids wöchentlich auf der Straße und können ihrem Sport nicht nachgehen“, kritisierte die Trainerin der Predators Cheerleader die Entscheidung der Verwaltung. „Das, was in der Welt passiert, kann nicht ständig auf den Schultern unserer Kinder ausgetragen werden.“

Bockhahn stellt in Aussicht, dass den meisten Vereinen Alternativen angeboten werden sollen. In vollem Umfang sei dies jedoch nicht möglich und auch nicht für alle Sportarten, wie etwa das Bogenschießen.

Die bereits im letzten Jahr genutzte Messehalle in Schmarl sei kein Alternative, erklärt Bockhahn auf Nachfrage. Für den akuten Bedarf wäre diese viel zu groß, zudem sei dies auch kostenmäßig nicht vertretbar, wie eine Abwägung mit dem Rechtsamt ergeben hat.

Auch das bis Ende 2022 als Gemeinschaftsunterkunft genutzte ehemalige Verwaltungsgebäude der Deutschen Seereederei (DSR) in Langenort sei keine Alternative, so Bockhahn: „In diesem Gebäude können keine Menschen leben“, verweist er auf die aus Sicht der Verwaltung groben Baumängel, wie Durchfeuchtungen und Schimmel. Stadt und Vermieter befinden sich in einem laufenden Rechtsstreit.

Fehlende Perspektiven für den Wohnungsmarkt kritisiert

„Was ist denn die Perspektive im Bau?“, kritisiert Marco Dinsel (CDU/UFR), dass es mit Baugebieten wie dem Groten Pohl oder dem Werftdreieck seit Jahren nicht vorangeht. Ohne neuen Wohnraum „werden wir uns in zwei Jahren über 20 Containerdörfer und fünf Wohnschiffe unterhalten“, befürchtet der Vorsitzende des Ortsbeirats Brinckmansdorf einen Dauerzustand.

„Der Wohnraum ist nicht erst seit gestern knapp“, stimmt Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Linke) zu. Die Suche nach einer bedarfsgerechten Wohnung betrifft Familien mit Kindern ebenso wie Studenten oder Senioren, die barrierefreien Wohnraum benötigen.

Dass am Groten Pohl seit fünf Jahren nichts passiert, ist eine „Schande“, gesteht Kröger ein. Noch fürs Frühjahr verspricht sie eine neue Funktionsstudie.

Das „etwas eingeschlafene“ Wohnungsbaubündnis soll wiederbelebt werden und es gibt Gespräche mit einem Hersteller aus dem Bereich modulares Bauen. „Modernen Plattenbau“ nennt Kröger die Modulbauweise, die schnelleres Bauen ermöglichen soll. Doch, so schnell, wie wir die Wohnungen jetzt brauchen, geht’s leider nicht, stellt die Verwaltungschefin klar.

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