Die Tierwelt als emotionale Brücke zum Leben

Der Rostocker Zoo will sich am Freizeitnetzwerk für demenzkranke Menschen beteiligen und startet eine Kooperation mit der Bundeskunsthalle Bonn

18. November 2013
Faultier Sidney im Darwineum des Rostocker Zoos
Faultier Sidney im Darwineum des Rostocker Zoos

Besucherbetreuer, Museums- und Zoopädagogen sowie Mediziner, Vertreter von Selbsthilfegruppen und freien Trägern haben heute im Rostocker Zoo an einem Workshop zu speziellen Freizeitangeboten für demenzkranke Menschen teilgenommen. Die Initiative geht auf die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zurück, die sich bereits seit mehreren Jahren dieser Thematik angenommen und überraschend positive Erfahrungen gesammelt hat. „Wir möchten gern Teil des Netzwerkes von Einrichtungen in Deutschland werden, die spezifische Freizeitangebote für Menschen mit Demenz entwickeln und anbieten“, sagte heute Zoodirektor Udo Nagel auf der Veranstaltung, mit der offiziell der Startschuss zu einer Kooperation beider Häuser gegeben wurde.

Kunst als ein motivierendes Erlebnis

Die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland setzt sich seit dem Jahr 2008 aktiv mit den Herausforderungen einer sich verändernden Gesellschaft im Hinblick auf den demografischen Wandel auseinander. „Wir verstehen es als unsere Aufgabe, allen Besuchern einen kreativen und individuellen Zugang im Sinne der kulturellen Teilhabe zu ermöglichen“, erklärte der kaufmännische Geschäftsführer der Bundeskunsthalle, Dr. Bernhard Spies. „Dies bezieht sich auf den Besuch der Ausstellungen ebenso wie auf das begleitende Bildungs- und Vermittlungsprogramm. Daher werden zu fast jeder Ausstellung spezielle auf Menschen mit besonderen Bedürfnissen ausgerichtete Vermittlungsangebote entwickelt, im Besonderen auch für dementiell erkrankte Menschen. Hierbei werden Zugangsmöglichkeiten mit allen Sinnen genutzt, der Einsatz unterschiedlicher Materialien und Modelle wirkt dabei unterstützend.“
Für Menschen mit Demenz war der Ausstellungsbesuch ein motivierendes Erlebnis, das über den emotionalen Zugang zu Öffnungsprozessen führte. Sie konnten sich kommunikativ und schöpferisch
einbringen mit Erfolgserlebnissen, die teilweise auch nach dem Museumsbesuch noch wirkten. Die Bundeskunsthalle steht im regelmäßigen Austausch mit Betroffenen, Verbänden und Schulen und  versucht so, die Einbindung von Menschen mit einer Demenz in den öffentlichen Kulturbetrieb weiter voranzutreiben.

„Angesichts der Tatsache, dass immer mehr ältere Menschen leben und an verschiedenen Formen der Demenz leiden, muss sich die Gesellschaft in allen Bereichen des Lebens auch auf die besonderen Bedürfnisse dieser wachsenden Gruppe einstellen“, sieht auch Zoodirektor Udo Nagel die Notwendigkeit der Anpassung der Angebote. „Obwohl sie beide unterschiedlich ausgerichtet sind, ergänzen sich der Zoo Rostock und die Bundeskunsthalle gerade zum Programm für dementiell erkrankte Menschen bestens. Beide Partner können voneinander lernen und den gegenseitigen Erfahrungsaustausch pflegen“, so Nagel. „Ich denke, gerade mit Tieren und der Parklandschaft im Zoo kann eine emotionale Brücke sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft, also ins Leben aufgebaut oder einfach nur mal eine kleine erholsame Auszeit geboten werden.“

Start mit Führungen, Tierbegegnungen und Beschäftigungsangeboten

Zeitnah zum Workshop sollen im Zoo erste Führungen für Demenzkranke angeboten werden. Die Teilnehmerzahl wird auf etwa fünf Betroffene plus Betreuer beschränkt werden müssen, um allen Beteiligten ein möglichst nachhaltiges Erlebnis zu verschaffen. Die Führung durch den winterlichen Zoo inklusive einer Tierbegegnung wird ergänzt durch ein Beschäftigungsangebot, zum Beispiel Basteln mit Naturmaterialien im nahegelegenen Veranstaltungsraum „Igelnest“.

Ziel ist, vor allem Angehörigen Entlastung zu verschaffen, und sei es nur für die Dauer des Zoobesuches. Sie haben in der kleinen Gruppe einen „geschützten Raum“, in dem sie nicht die Reaktionen oder Verhaltensweisen ihres dementen Angehörigen erklären oder sich gar dafür entschuldigen müssen. Zudem haben sie das Erlebnis zusammen verbrachter Freizeit mit dem Angehörigen, durch das Basteln gibt es auch davon ein Erinnerungsstück.

„Da der Zoo schon einige Erfahrungen gesammelt hat in der Führung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen, hoffen wir auf einen schnellen Start“, betonte Udo Nagel. „Diese spezifischen Zooangebote dürfen aber keine Insel bleiben. Deshalb ist unser großes Anliegen, an einem wachsenden Netzwerk mitzuwirken, vielleicht zuerst in Rostock, dann aber auch landesweit. Nicht zuletzt würde solch eine Angebotsvielfalt in Mecklenburg-Vorpommern auch dem Gesundheitsland Nr. 1 gut zu Gesicht stehen.“

Quelle: Zoo Rostock

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