Nobelpreisträger Richard R. Ernst an der Uni Rostock

Chemie-Nobelpreisträger referiert über Moleküle, Mönche und Malkunst

20. November 2010, von

Am 13. Oktober 1991 befindet sich Professor Richard R. Ernst gerade auf einem Interkontinentalflug in die USA, als man ihm die Nachricht überbringt, er habe gerade einen großen Preis gewonnen, und zwar nicht nur irgendeinen großen Preis, sondern den Nobelpreis. „Und meine Reaktion: Wow“, erinnert sich der 1933 in Winterthur in der Schweiz geborene Chemiker natürlich gerne an diesen Moment zurück. Er bezeichnet den Flug als seine dritte Schicksalsreise.

Nobelpreisträger Professor Richard R. Ernst an der Uni Rostock
Nobelpreisträger Professor Richard R. Ernst an der Uni Rostock

Heute Nachmittag war er zu Gast im Audimax der Universität Rostock, um im Rahmen des JungChemikerForums einen Vortrag über „Die Interkulturelle Passion des Naturwissenschaftlers; Tibetische Malkunst, Pigmentanalyse und Wissensvermittlung an tibetische Mönche“ zu halten. „Es gibt nichts Schöneres, als in einer Veranstaltung aufzutreten, die ausschließlich von Studierenden organisiert wurde“, freute er sich zu Beginn über die Möglichkeit in Rostock sprechen zu dürfen. Und wie kommt man nun von der Chemie zu tibetischer Malerei? Und welches sind die ersten beiden Schicksalsreisen des Nobelpreisträgers?

Doch der Reihe nach. Seinen ersten Kontakt mit der Chemie hatte Ernst, als er auf dem Speicher seines verstorbenen Onkels eine Kiste mit Chemikalien fand, die er mit in den Keller nahm und damit experimentierte. Die Leidenschaft für die Naturwissenschaft war geboren. Die logische Folge war ein Studium der Chemie an der ETH Zürich. „Es war stinklangweilig“, kommentiert er es im Nachhinein lapidar. Anschließend blieb er zunächst an der ETH, um im Bereich der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie) zu forschen. Stark vereinfacht ausgedrückt, werden dabei Magnetfelder im Molekül gemessen, wodurch das Molekül charakterisiert werden kann.

Professor Richard R. Ernst
Professor Richard R. Ernst

Allerdings war es zu diesem Zeitpunkt sehr mühsam und sprichwörtlich nur im Schneckentempo möglich, diese Messungen durchzuführen. Die Technik war praktisch unbrauchbar, weshalb Ernst der Universität enttäuscht den Rücken kehrte. Frisch verheiratet ging er daraufhin mit seiner Frau 1963 in die USA, um im Silicon Valley bei der Firma Varian Associates zu arbeiten.

Es sollte seine erste Schicksalsreise werden, denn dort gelang es ihm und seinen Kollegen, die NMR-Technik weiterzuentwickeln und schnellere Messungen zu ermöglichen. Plötzlich war es eine brauchbare Technik. „Dann war ich begeistert von der Wissenschaft und die Wissenschaft hat mich gepackt“, beschreibt er den entscheidenden Punkt in seiner Karriere als Naturwissenschaftler.

1968 sollte es dann über Asien zurück nach Europa gehen, die zweite Schicksalsreise, denn auf dieser Reise entdeckte Ernst seine Passion, die tibetische Malkunst und Kultur Zentralasiens.

Besonders wichtig war es ihm, auch in seinem Vortrag zu betonen, wie wichtig eine persönliche Passion auf dem Weg zum Erfolg ist, damit man am Ende nicht einfach nur zu einem „Fachsimpel“ wird. „Auch Sie brauchen Passionen“, ermutigte er deshalb die jungen Wissenschaftler im Publikum und verwies auf eine Reihe erfolgreicher Menschen, wie Albert Einstein, der seine Geige hatte oder Helmut Schmitt, der nicht nur Kanzler war, sondern auch leidenschaftlich Piano spielte und nicht zuletzt natürlich Leonardo da Vinci, der Erfinder, Forscher und Künstler in einer Person vereinte. Für Ernst nicht allzu verwunderlich, da Wissenschaft und Kunst auf den gemeinsamen Nenner aus Neugierde und Kreativität kommen.

Nobelpreisträger Professor Richard R. Ernst
Nobelpreisträger Professor Richard R. Ernst

Wieder in Zürich angekommen, machte er sich anschließend daran, die Molekularbiologie zu revolutionieren, indem es ihm und seinen Züricher Kollegen gelang, dreidimensionale Strukturen von Proteinen zu bestimmen. Seine Arbeiten stellten eine wichtige Grundlage für die spätere Entwicklung der Magnetresonanz-Tomographie dar, die aus den heutigen Krankenhäusern nicht mehr wegzudenken ist.

Unterdessen vertiefte er zudem seine Kenntnisse in tibetischer Malkunst und befasste sich mit der Pigmentanalyse, um in der Lage zu sein, Gemälde instand zu halten. „Dazu muss ich wissen, wie man diese Bilder malt und wie man sie erhält“, beschreibt er seine Motivation.

Mittels Ramanspektroskopie lassen sich die in den Bildern verwendeten Pigmente, wie Indigo oder Malachit, identifizieren und auch die Herkunft von Gemälden lässt sich anhand der verwendeten Pigmente lokalisieren. Dazu schießt man mit einem Laser auf das Bild, wodurch die Moleküle beginnen zu vibrieren. Diese Vibrationen werden gemessen und die Moleküle können dadurch identifiziert werden. Dem Gemälde wird dabei kein Schaden zugefügt, falls dies jemand bei der Erwähnung des Lasers befürchtet haben sollte.

Sektempfang nach dem Vortrag
Sektempfang nach dem Vortrag

Darüber hinaus engagiert Ernst sich auch im Projekt Science meets Dharma, das tibetischen Mönchen naturwissenschaftliches Wissen vermitteln soll. Die Mönche lernen dabei, praktische Experimente durchzuführen, was ihnen aufgrund der theoretischen Ausrichtung ihrer Philosophie fremd ist. Der vom Dalai Lama initiierte interkulturelle Dialog hat nebenbei auch einen einfachen praktischen Nutzen, so lernen die Mönche beispielsweise, Wasser auf schädliche Verunreinigungen hin zu analysieren.

Nach einer interessanten und mit viel Witz vorgetragenen Präsentation bestand im Anschluss noch die Möglichkeit, dem Nobelpreisträger bei einem Glas Sekt die eine oder andere Frage zu stellen oder sich womöglich Gedanken über die eigene Passion zu machen.

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