Sibylle Lewitscharoff stellt ihren Roman „Blumenberg“ vor

Löwen und Philosophen bei der zweiten Lesung der LiteraTour Nord 2011/2012 im Peter-Weiss-Haus

7. Dezember 2011, von
Sybylle Lewitscharoff
Sybylle Lewitscharoff

Das Gehirn spielt einem manchmal ganz komische Streiche. Da sitzt man am Schreibtisch, arbeitet an Dokumenten und auf einmal sitzt ein Löwe auf dem Teppich. Wer jetzt an Experimente mit bewusstseinserweiternden Drogen denkt, liegt falsch. So beginnt nämlich der Roman „Blumenberg“ der Stuttgarter Autorin Sibylle Lewitscharoff, die gestern im Rahmen der LiteraTour Nord 2011/2012 im Literaturhaus Rostock im Peter-Weiss-Haus las.

Für viele ist Sibylle Lewitscharoff die Favoritin im diesjährigen Wettbewerb. Ihr Roman konnte schon einige Literaturpreise abräumen und auch auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises war er vertreten. So war es auch nicht verwunderlich, dass sich über 100 Besucher selbst ein Bild von der Autorin und ihrem Werk machen wollten.

Publikum bei der Lesung von Sibylle Lewitscharoff  im Peter-Weiss-Haus
Publikum bei der Lesung von Sibylle Lewitscharoff im Peter-Weiss-Haus

„Blumenberg“ ist zwar ein Roman, die namensgebende Hauptfigur ist jedoch keine Erfindung der Autorin. Hans Blumenberg war ein angesehener Philosoph, der bis 1985 Professor in Münster war. Drei Jahre vor der Emeritierung setzt der Roman ein und lässt Blumenberg auf die Illusion des Löwen treffen. Die Kleistpreisträgerin wollte keine Biographie schreiben, sondern einen Roman, der auch für Leser interessant ist, die den Philosophen nicht kennen. Daher hat sie das Tier als Figur mit aufgenommen: „Mit so einer Figur kann man viel machen. Der Löwe ist sozusagen Butter bei die Fische.“

Büchertisch der anderen buchhandlung
Büchertisch der anderen buchhandlung

Die Romanfigur Blumenberg wird fortan von dem König der Tiere begleitet. Nicht nur vor seinem Schreibtisch, sondern auch in seinen Vorlesungen nimmt er Platz und wird für den Philosophen immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit. Zu einer Berührung kommt es jedoch nie, was in der Welt des Romans das Rätsel offenlässt, ob der Löwe nur ein Phantasiekonstrukt ist oder wirklich existiert. Zwar können Blumenbergs Studenten das Tier nicht sehen, vier von ihnen bemerken aber, dass etwas anders ist im Hörsaal.

Auch die Geschichte dieser vier Studenten erzählt Sibylle Lewitscharoff in ihrem Roman; bei der Lesung gestern Abend stand jedoch der Philosoph Blumenberg im Mittelpunkt. Und dabei überzeugte nicht nur der Inhalt des Romans, sondern auch die Vortragsweise der Stuttgarterin. Mit viel Leidenschaft und einer ausdrucksstarken Mimik und Gestik wurde das Publikum mitgerissen in das Münster von 1982. Für den Vortrag wählte sie sich das Kapitel Ägypten aus, in dem der Philosoph auf seiner Couch liegt und bei dem Genuss eines Musikstückes von Arturo Benedetti Michelangeli an einen Aufenthalt in dem afrikanischen Land zurückdenkt.

Sibylle Lewitscharoff und Lutz Hagestedt
Sibylle Lewitscharoff und Lutz Hagestedt

Diese Geschichte beruht auf einer wirklichen Reise Blumenbergs, dem diese 1956 von einem reichen Freund finanziert wurde. In dem anschließenden Gespräch mit Literaturwissenschaftler Lutz Hagestedt erklärt die Autorin, dass sie dieses Kapitel gewählt habe, um etwas Abwechslung in die Lesungen zu bekommen. Außerdem zeige sich dort, dass Blumenberg nicht immer nur der etwas abgeschottete Philosoph war, sondern durchaus auch ein Lebemann, der die Autoleidenschaft vom Vater erbte.

Auch wenn Sibylle Lewitscharoff mehrmals betonte, dass sie keine Biografie schreiben wollte und das Buch auch ebendies nicht ist, bekam man das Gefühl, dass sie durchaus in der Lage dazu gewesen wäre. „Ich habe die Schriften Blumenbergs schon in der Schulzeit gelesen und er hat mich bis heute gepackt. Ich habe nicht immer alles verstanden und das tue ich auch heute noch nicht, aber er ist ein sehr faszinierender Mann“, sagte die Autorin. Sie berichtete, dass sie ihn zwar nie persönlich erleben durfte, aber für das Buch mit der Tochter Bettina Blumenberg gesprochen hat.

Nach der Lesung signierte die Autorin noch Bücher
Nach der Lesung signierte die Autorin noch Bücher

Schon vor der Veröffentlichung des Buches war die Spannung groß, ob so ein Konzept überhaupt funktionieren könne. Lutz Hagestedt formulierte: „Lieber einen großen Autor scheitern, als einen schlechten Autor stümpern sehen“ und auch Lewitscharoff selbst hatte Angst, dass sie von den „Blumenbergianern“ Kritik ernten würde: „Ich hab gedacht, sie fragen, was erlaubt sich diese Kröte. Zum Glück ist das nicht passiert und fast alle fanden das Buch gut. Und das geht natürlich runter wie Öl“, sagte die symphytische Autorin.

Mit dem tollen Abend hat Sibylle Lewitscharoff die Messlatte für die Konkurrenz sehr hoch gelegt. Die noch folgenden Autoren Sherko Fatah, Gregor Sander und Jan Böttcher müssen sich anstrengen, wenn sie die Publikumsstimme der LiteraTour Nord gewinnen wollen.

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