Uni Rostock erteilt Gentechnik-Gegner keine Redeerlaubnis
Universität Rostock sagt Vortrag von Ökoaktivist Jörg Bergstedt in den Räumen des Campus Ulmenstraße kurzfristig ab
15. Mai 2012, von Stefanie
Ein Déjà-vu musste gestern die Grüne Hochschulgruppe (GHG) erleben. Bereits vor zwei Jahren hatte sie zu einem Vortrag des Agrogentechnik-Kritikers Jörg Bergstedt eingeladen. Nun sollte er wieder zum Thema „Monsanto auf Deutsch: Seilschaften in der Gentechnik“ sprechen.
Wieder in einem Raum auf dem Universitätscampus in der Ulmenstraße und wieder wurde die Veranstaltung von der Universitätsleitung abgesagt. Allerdings erst wenige Stunden vorher, obwohl der Termin den unteren Ebenen der Universität schon seit drei Wochen bekannt gewesen sein soll, sagt Jan Delph von der GHG.
Hatten die Ereignisse vor zwei Jahren noch für Protest sowohl bei den Gentechnik-Gegnern, die der Universität Zensur vorwarfen, als auch bei den Befürwortern, die durch Zwischenrufe während des Vortrags auffielen, gesorgt, blieb er diesmal aus. Gut ein Dutzend Zuhörer fanden sich schließlich im Haus Böll ein, wohin die Veranstaltung ausweichen konnte.

Zur Begründung der Absage teilt die Universitätsleitung mit, dass die Veranstaltung „nicht den Voraussetzungen für eine Raumvergabe an der Universität entspricht. Einem wissenschaftlichen Diskurs, der auch andere Meinungen zulässt, stehen die Räumlichkeiten der Universität jederzeit offen. In diesem Fall war allerdings zu befürchten, dass die Veranstaltung rein propagandistischen Zwecken dienen soll. Dafür Bühne zu sein, ist nicht Aufgabe einer Universität.“
„Es ist tatsächlich eine Tendenzveranstaltung“, gibt der Student Jan Delph zu: „Aber es wirft ein schlechtes Licht auf die Uni.“
Die Gerüchte über Gewalttätigkeiten gegenüber Uni-Mitarbeitern möchte der Referent Jörg Bergstedt jedoch nicht im Raum stehen lassen. „Es liegt wohl eher daran, dass der Vortrag einen sehr detaillierten Blick in den Kochtopf der Gentechnikseilschaften in Deutschland wirft und auch die Universität Rostock dabei eine relevante Rolle spielt“, so der Ökoaktivist zu Beginn seines gut zweistündigen Vortrages.
Viel Neues hatte er nicht zu berichten. Noch immer sei „alles mit allem verbunden“, der Anbau der Versuchsfelder, die Genehmigung und Kontrolle, die Geldvergabe und Lobbyarbeit. „Manchmal auch in einer einzigen Person, der kurze Weg von Synapse zu Synapse.“ Davon gebe es nicht allzu viele, aber eine sei die in Rostock tätige Inge Broer, so Bergstedt, der für das Herausreißen genmanipulierter Gerste eine sechsmonatige Haftstrafe verbüßte.
Die vielfältigen Proteste hätten sich gelohnt, macht der Gentechnik-Gegner deutlich. Seien es im letzten Jahr noch 18 Felder in Deutschland gewesen, schätzt er, dass die Zahl in diesem Jahr deutlich zurückgeht. Nicht zuletzt wegen des „Totalausfalls der Agrogentechnischem Freisetzung der Universität Rostock“.
Für den 9. Juni ist ein weiterer Vortrag zum Thema Gentechnik geplant. Unterstützt vom Allgemeinen Studierendenausschuss soll dann die Gentechnikwissenschaftlerin Professor Susan Bardócz ab 19:30 Uhr im Audimax über das „Sicherheitsrisiko Gentechnik“ referieren.
An dieser Stelle zur Kenntnis die gestrige Pressemitteilung der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen:
Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empört über Verbot von
gentechnikkritischem Vortrag an der Universität Rostock
Dr. Ursula Karlowski: „Freie Lehre ist an der Universität Rostock nicht
gewährleistet.“
Bestürzt und empört reagiert die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
auf das erneute Verbot eines gentechnikkritischen Vortrags an der Universität
Rostock. Der Vortrag von Jörg Bergstedt, Gentechnikgegner aus Saasen
(Hessen), der durch jahrelange Recherche ein profundes Bild über die
Verflechtungen der Gentechnikkonzerne Monsanto und BASF mit Forschung,
Behörden und Politik verfügt, war gestern nur wenige Stunden vor Beginn der
Veranstaltung durch den Rektor der Universität, Prof. Dr. Schareck, untersagt
worden. Organisiert wurde die Veranstaltung unter anderem von der Grünen
Hochschulgruppe an der Universität.
Die umweltpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, Dr. Ursula Karlowski zu den Vorgängen:
„Ich finde es empörend, dass eine Universitätsleitung ihren Studenten nicht
zutraut, sich angesichts eines informativen Vortrags über die Risiken der so
genannten grünen Gentechnik, eine eigene Meinung zu diesem Thema zu bilden.
Wissenschaftlicher Nachwuchs kann nur in einem Umfeld gedeihen, das Raum für
Aufklärung und Widerspruch lässt. Die Freiheit der Gedanken – Grundlage
jeglicher Forschung – ist an der Universität Rostock nicht gewährleistet.“
Hintergrund
Zum wiederholten Mal untersagte gestern die Universität Rostock einen von
Studentinnen und Studenten organisierten Vortrag zu den Risiken der so
genannten grünen Gentechnik. Bereits im Jahr 2010 war eine Veranstaltung des
profilierten Gentechnikgegners Jörg Bergstedt an der Universität Rostock
durch diese verboten worden. Auch der Träger des Alternativen Nobelpreises,
der kanadische Farmer und Gentechnikkritiker Percy Schmeiser durfte 2009 an
der Universität zunächst nicht reden und konnte erst nach öffentlichen
Protesten, dann aber nur in einem sehr kleinen Vortragsraum auftreten.Die Universität Hamburg stellte dem international hoch anerkannten Landwirt, der sich mit jahrelangen
juristischen Prozessen erfolgreich gegen den US-Gentechkonzern Monsanto
gestellt hatte und seither öffentlich vor den Gefahren des veränderten
Erbguts in Lebensmitteln warnt, im selben Jahr den größten Vortragsraum der
Universität zur Verfügung.
Die Universität Rostock ist Teil eines umfangreichen Geflechts aus öffentlich
geförderter Forschung und privatwirtschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet
der so genannten grünen Gentechnik. Eine der Protagonistinnen des Netzwerks
ist Frau Prof. Dr. Inge Broer, Inhaberin des Lehrstuhls für
Agrobiotechnologie an der Universität Rostock. Frau Prof. Broer hat direkte
Verbindungen zur Bayer AG und tritt bei Patentanmeldungen für Genpflanzen
gemeinsam mit dem Bayer-Konzern bzw. Firmen, die von Bayer übernommen wurden
(Hoechst, Agrevo) auf.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisieren in Mecklenburg-Vorpommern seit langem die
öffentliche Förderung der Forschung auf dem Gebiet der so genannten grünen
Gentechnik und fordern ein Stopp der öffentlichen Zuwendungen, zuletzt im
Zusammenhang mit Polizei-Hubschrauberflügen über Versuchsflächen der
Universität.