Klärschlammverbrennungsanlage bleibt umstritten

Weitere Informationsveranstaltung kann Misstrauen an der in Rostock-Bramow geplanten Klärschlammverbrennungsanlage nicht ausräumen

28. Februar 2019, von
Infoveranstaltung zur Klärschlammverbrennungsanlage in Rostock-Bramow
Infoveranstaltung zur Klärschlammverbrennungsanlage in Rostock-Bramow

Schön sei die Luft darin nicht gewesen – wie das nun mal so ist – und laut war es in einigen Bereichen auch. Aber außerhalb der Anlage war alles sauber und ruhig. In 300 Meter Entfernung hätten sogar Wohnhäuser gestanden. Sicherlich gebe es immer noch etwas zu verbessern, beispielsweise der Lärm aus dem Schornstein. So berichten Bürgerschaftsmitglieder nach einer Fahrt zur Züricher Klärschlammverbrennungsanlage einhellig von ihren Eindrücken auf einer Informationsveranstaltung. Eingeladen hatte die Stadtverwaltung, um den Neubau einer nahezu identischen Anlage in Rostock zu diskutieren.

Eine Reihe von Fragen stellte sich schon vorher, Zweifel tauchten auf, Protest von Anwohnern und Umweltschützern wurde laut. Neben der Kritik an der Transparenz beim Planungsprozess, mangelnder Beachtung alternativer Verwertungsverfahren wie Carbonisierung und den Auswirkungen auf die Abwassergebührenentwicklung, war es vor allem die Standortfrage, die die anwesenden Zuhörer umtrieb. Etwa 30 waren zu der Veranstaltung in der Borwinschule gekommen. Im März will sich die Bürgerschaft mit einer entsprechenden Beschlussvorlage zum Neubau einer Klärschlammverbrennungsanlage beschäftigen.

Vorangetrieben wurde das Projekt vom Warnowwasser- und Abwasserverband (WWAV). Er ist für die Abwasserbeseitigung in Rostock zuständig. Bei diesem Prozess bleibt Klärschlamm übrig. Früher wurde dieses Restprodukt auf landwirtschaftlichen Flächen als Dünger ausgetragen. Wegen des Anteils an hormonell wirksamen und giftigen Substanzen – in Rostock sei vor allem Quecksilber ein Problem – wird dieses Entsorgungsverfahren mittlerweile als zu riskant eingeschätzt. Die Grenzwerte wurden zum Schutz von Böden und Trinkwasser in rechtlichen Vorgaben angepasst. Seit 2014 muss der Klärschlamm daher thermisch verwertet werden. Für die Verbrennung wird er nach Leipzig, Hamburg oder ins Ruhrgebiet gebracht, weil hierzulande die Kapazitäten fehlen. Von einem „Klärschlammentsorgungsnotstand“ sprechen die Projektträger. „Wir wollen den Klärschlamm nicht so weit transportieren und haben uns deshalb für eine Landeslösung engagiert.“ Mit „wir“ meint die WWAV-Geschäftsführerin Katja Gödke die Klärschlammkooperative (KKMV), zu der mittlerweile 15 Gesellschafter, alles kommunale Abwasserentsorger der Region um Rostock, gehören und die hinter dem Neubauprojekt stehen.

Angesichts des Drucks aus der Privatwirtschaft, die sich auf dem Klärschlammmarkt engagiert, will KKMV-Vertreter Klaus Rhode klargestellt wissen: „Wir planen eine Anlage nur für unsere Klärschlämme.“ Derzeit fallen 90.000 Tonnen pro Jahr in dem Abwasserentsorgungsverbund an. Die geplante Anlage ist, wie das Schweizer Vorbild, auf 100.000 Tonnen ausgelegt. 20 Prozent der gesamten Schlammmenge fallen allein in Rostock an. Das ist auch für Umweltsenator Holger Matthäus ein wichtiges Argument, die Klärschlammverbrennungsanlage direkt neben das Rostocker Klärwerk in der Carl-Hopp-Straße zu errichten. Der Straßentransport würde reduziert werden. Aktuell würden sich fünf LKWs täglich aus Rostock in Richtung der mehrere hundert Kilometer entfernten Verbrennungslagen machen. Zukünftig wird mit zwölf LKWs gerechnet, die den Klärschlamm aus Mecklenburg-Vorpommern in die Stadt fahren. Ein weiterer Vorteil, so die Befürworter: Die gewonnene Wärme kann direkt in das angebundene Fernwärmenetz eingespeist werden.

Insgesamt seien neun Standorte in Betracht gezogen worden. Ein Rechtsgutachter sprach sich schließlich für die Nähe zum Rostocker Klärwerk aus. Anwohner der Carl-Hopp-Straße bleiben jedoch weiter skeptisch angesichts des favorisierten Standortes. Sie monieren den Abstand der 50×35 Meter großen Industrieanlage zu ihren Wohnhäusern und die Änderung des B-Plans, dem ein Grünstreifen zum Opfer fiel. „Warum muss eine Verbrennungsanlage mitten in der Stadt stehen?“ oder „Warum muss Rostock den gesamten Klärschlamm verbrennen?“ lauteten Fragen dazu aus dem Publikum. In der Beschlussvorlage für die Bürgerschaft solle der Standort noch nicht abschließend festgelegt werden, so eine Forderung.

Von einem nicht ganz schlüssigen Konzept spricht CDU-Fraktionssprecher Daniel Peters. Viele Punkte müssten noch geklärt werden. Wie zum Beispiel die Frage des Phosphorrecyclings. Klärschlamm wird als wichtige Quelle für den endlichen aber bedeutenden Rohstoff Phosphor betrachtet. Dieser soll aus dem Abwasser zurückgewonnen werden, so eine rechtliche Vorgabe der EU. Bis spätestens 2029 sollen geeignete Verfahren umgesetzt werden, bis 2023 sollen sich die Entsorger dazu äußern. Im Moment gebe es nur die Möglichkeit des Baus einer Monoverbrennungsanlage mit Phosphorrecyclingoption, erklärt KKMV-Geschäftsführer Ulrich Jacobs. Wie diese Option aussehen wird, ist jedoch noch nicht geklärt. Die Phosphor-Rückgewinnung aus der Klärschlammasche erfordert technisch komplexe und energieaufwändige Verfahren, da das Element nach der Verbrennung nur noch chemisch gebunden vorliegt.

Nicht nur als Phosphorlieferant auch als effizienter Energieträger wird Klärschlamm geschätzt. Etwa 5,7 Megawatt pro Jahr, etwa soviel wie Gehlsdorf verbraucht, soll mit der Verbrennungsanlage als regenerative Energie erzeugt werden. Vom Bundesumweltministerium seien derartige Verfahren deshalb als Klimaschutzprojekt anerkannt und der Neubau einer solchen Anlage könnte mit 7 Mio Euro gefördert werden, erläutert Katja Gödke.

Insgesamt wird mit 50 Mio Euro für Bau- und Planungskosten gerechnet. 22 Mio sollen aus öffentlichen Fördertöpfen eingeworben werden. Auswirkungen auf die Gebühren habe der Neubau kaum, so Gödke weiter. „Die Abwasserkosten würden nicht explodieren.“ Rostock sollen durch die Anlage pro Jahr Gewerbesteuerzahlungen in Höhe von 200.000 bis 300.000 Euro zufließen.

Am Samstag (2. März 2019 ) möchte „Pro Recycling e. V.“ interessierten Abgeordneten, Entscheidungsträgern und Bürgern klimafreundliche und kostengünstige Alternativen zur Klärschlamm-Verbrennung vorstellen. Die Informationsveranstaltung findet von 15:00 bis 18:00 Uhr im Waldemarhof, Waldemarstraße 33 statt.

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