2. Interdisziplinäres Forschungsseminar

Zu Gast bei der Interdisziplinären Fakultät der Universität Rostock

25. März 2010, von

Dass Warnemünde nicht nur Strand und Ostsee zu bieten hat, sollte hinlänglich bekannt sein. Ein gutes Plätzchen fürs 2. Interdisziplinäre Forschungsseminar dürfte sich da auch die Uni Rostock gedacht haben.

“Als vom Butt nur die Gräte geblieben war” - Relief, Günter Grass
“Als vom Butt nur die Gräte geblieben war” - Relief, Günter Grass

Den Ort der Veranstaltung bildete das Leibniz-Institut für Ostseeforschung (IOW). Ist man schon mal hier, sollte man sich einen kleinen Höhepunkt nicht entgehen lassen. Über das Gebäude verteilt, finden sich verschiedene Kunstwerke des Nobelpreisträgers Günter Grass.

„Meine See, baltische Pfütze” beginnt Grass sein Gedicht, das der Ausstellung als Thema dient. Direkt daneben ein kunstvolles Relief: „Als vom Butt nur die Gräte geblieben war”

Vier Plastiken, acht Radierungen und verschiedene Texte – alle mit Bezug zu unserer „baltischen Pfütze” – gibt es in der Dauerausstellung des IOW zu sehen, dazu Fotos und Diagramme.

So ganz öffentlich ist die Ausstellung leider nicht. Wer nett fragt, darf vielleicht dennoch ein wenig durch die Flure streifen. Führungen sind auch geplant, am Besten einfach mal beim IOW erkundigen.

2. Interdisziplinäres Forschungsseminar der Uni Rostock
2. Interdisziplinäres Forschungsseminar der Uni Rostock

Interdisziplinäres Forschungsseminar – Hype, Marketing, Notwendigkeit? In jedem Fall Grund genug, sich vor Ort ein Bild zu machen.

Als Dekan der Interdisziplinären Fakultät gab Prof. Dr. Udo Kragl einen kurzen Rückblick auf die noch junge Geschichte seiner Einrichtung. 2007 hat sich die Universität Rostock drei Forschungsschwerpunkte gegeben. Auch als Profillinien bezeichnet, gibt es seitdem die folgenden Bereiche (Departments):

  • Science and Technology of Life, Light & Matter (Licht, Leben und Materie)
  • Maritime Systems (Maritime Systeme)
  • Aging Science and Humanities (Erfolgreich altern)

Klangvoll, aber auch irgendwie nichtssagend. „Science and Technology of Life, the Universe, and Everything“ wäre – frei nach Douglas Adams – kaum weniger präzise, hätte aber deutlich mehr Charme. Nicht zuletzt, weil wir bereits die Antwort auf die ultimative Frage kennen – 42. Hat hier jemand behauptet, Wissenschaft sei trocken oder gar humorlos?

Interdisziplinäres Forschungsseminar: Michael Lüdtke, Prof. Dr. Udo Kragl, Markus Krohn, Sebastian Reimann, Cornelia Pfabel
Interdisziplinäres Forschungsseminar: Michael Lüdtke, Prof. Dr. Udo Kragl, Markus Krohn, Sebastian Reimann, Cornelia Pfabel

Um den Profillinien ein gemeinsames Dach zu geben und Forschung und Lehre in diesen Bereichen zu organisieren, wurde 2007 die Interdisziplinäre Fakultät gegründet. In Konkurrenz zu den etablierten Fakultäten sieht Kragl sich jedoch nicht.

So verfüge seine Fakultät weder über ein Promotionsrecht noch über eigene Mitarbeiterstellen. Die Mitarbeiter der Departments gehören weiterhin zu den jeweiligen Fakultäten.

Die Einrichtung sehe sich als Überbau, um Forschungsaktivitäten zu bündeln und in bestimmten Bereichen auf ein höheres Niveau zu heben. Nicht zuletzt gehe es auch darum, die Außenwirkung der Universität Rostock als Ganzes zu verbessern.

Prof. Dr. Udo Kragl, Dekan der Interdisziplinären Fakultät
Prof. Dr. Udo Kragl, Dekan der Interdisziplinären Fakultät

Die Anwerbung von 20 Millionen Euro für den Forschungsbau „Komplexe molekulare Systeme“ des Departments „Licht, Leben und Materie“ hob Prof. Kragl als einen der bisher größten Erfolge der noch jungen Fakultät hervor. Es sei eine Bestätigung von außen, dass „das, was wir als Rezept aufgeschrieben haben, wirklich tragfähig ist“ und auch Dritte begeistern kann.

Für den Bereich „Erfolgreich Altern“ sei unbedingt der Partnerstandort Rostock/Greifswald des Deutsches Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNS) zu nennen.

Erste Erfolge sind da, aber auch dringend notwendig. Zwar haben Land und Universität die Anschubfinanzierung für die ersten Jahre übernommen, jedoch wolle und könne man nicht auf Dauer nur das Geld von Land und Universität ausgeben.

Gelder von außen einzuwerben, sei die aktuelle Herausforderung. Um an die Fördertöpfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu gelangen oder bei der dritten Runde der Exzellenzinitiative mit im Boot zu sein, laufen derzeit die Anträge.

„Dazu brauchen wir natürlich auch Forschungsergebnisse, die wir vorzeigen können“, so Kragl.

Doch an welchen Themen wird überhaupt geforscht, womit beschäftigen sich die Doktoranden? Stellvertretend für die 45 Stipendiaten aus sechs Nationen stellten Cornelia Pfabel, Sebastian Reimann und Markus Krohn ihre Departments vor.

Sebastian Reimann, Department „Leben, Licht und Materie“
Sebastian Reimann, Department „Leben, Licht und Materie“

Unter dem Motto „Licht, Leben und Materie” gehen Forscher den Geheimnissen des Lebens und der Materie auf den Grund. Eigenschaften und Verhalten von Materialien auf atomarer und molekularer Ebene zu verstehen, ist Hauptanliegen des Departments.

Grundlagenforschung, die Entwicklung von Modellen und Computersimulationen stehen dabei im Vordergrund.

Nanotechnologien und Katalyse stellen weitere Kernbereiche dar. So arbeitet Sebastian Reimann auf dem Gebiet neuartiger katalytischer Reaktionen und schreibt seine Doktorarbeit am Leibniz-Institut für Katalyse.

Ein weiterer Schwerpunkt des Departments liegt in der Rekonstruktion biologischer Funktionen – von der Stammzellentherapie über neuartige Implantate und Knochengewebe bis zur Rekonstruktion ganzer Sinnesfunktionen, beispielsweise beim Grünen Star.

Markus Krohn, Department „Erfolgreich Altern“
Markus Krohn, Department „Erfolgreich Altern“

Arbeitsgebiet des Departments “Erfolgreich Altern” sind die Herausforderungen, die der demografische Wandel bereithält. Ein selbstständiger und selbstbestimmter Lebensabend ist dabei das Ziel.

Medizinische Versorgungs- und Therapieformen, insbesondere auf dem Gebiet der Demenzforschung, bilden zusammen mit der Prävention einen Hauptbestandteil der Arbeit.

Physische Leistungsfähigkeit, technische Assistenzsysteme, Mobilität im Alter sowie Fragen der Rehabilitation stellen ein weiteres Arbeitsfeld des Departments dar.

Aber auch, wie das Altern selbst in der Bevölkerung aufgenommen wird und wie die Darstellung in den Medien erfolgt, sind Themen des Departments.

Veränderte soziale Strukturen, Lebensentwürfe fürs Alter und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind ebenso Teil der Untersuchungen wie Alterssicherungssysteme oder Generationengerechtigkeit. <

Cornelia Pfabel, Department „Maritime Systeme“
Cornelia Pfabel, Department „Maritime Systeme“

Meeresforscher, Ingenieure, Geistes- und Sozialwissenschaftler, aber auch Biologen, Ökonomen und Juristen finden sich im Bereich der “Maritimen Systeme”.

Folgen des Klimawandels sind ebenso Thema wie Küstenschutz, Fischfang oder Aquakulturen. Rechtliche und politische Probleme, die sich aus unterschiedlichen Interessen und Nutzungsansprüchen ergeben, sind Teil der Forschungen.

Auch der Bereich Bioenergie ist Bestandteil der Abteilung. So forscht die Biologin Cornelia Pfabel beispielsweise auf dem Gebiet der Biomasse-Produktion mittels Pappel-Kulturen.

Selbst die Historiker kommen nicht zu kurz, bildet der Kulturtransfer und die Forschermigration im Ostseeraum des 17. und 18. Jahrhunderts doch das Thema einer Doktorarbeit.

Interdisziplinär – Hype oder tatsächlicher Nutzen?

„Mensch, das war’s! Warum bin ich da jetzt nicht drauf gekommen?“ beschreibt Cornelia Pfabel ganz pragmatisch das, was interdisziplinär für sie ausmacht. Manchmal sei man einfach betriebsblind. Da tue es gut, ein Problem mit einem Nicht-Biologen diskutieren zu können. Der Politikwissenschaftler oder Jurist gleich nebenan? Einfach gut!

Sebastian Reimann betonte die anwendungsorientierte Arbeitsweise der Interdisziplinären Fakultät. Die Ergebnisse sollen raus aus dem Labor und Anwendung finden. Eine enge Zusammenarbeit mit der Pharmazie oder Medizin sei dabei essentiell.

Interdisziplinäre Fakultät Rostock
Interdisziplinäre Fakultät Rostock

Einerseits muss man sich in seinem Fachbereich spezialisieren, heute mehr denn je. Andererseits gibt es neue Techniken in anderen Bereichen, die völlig neue Ansätze in der Forschung ermöglichen.

So ermöglichen es uns heutige Rechenleistungen und neue Computermodelle beispielsweise zu verstehen, wie biologische Prozesse funktionieren.

Das Wissen ist da, man muss „die Personen und die Wissensstücke aber auch zusammen bringen”, so Kragl. Das ist die Herausforderung einerseits und andererseits der große Mehrwert, der dabei zu erzielen sei.

Der Ansatz der Interdisziplinären Fakultät dürfte da gerade recht kommen. Was es bringt, wird die Zukunft zeigen, ihre Chance hat die Einrichtung aber sicher verdient.

Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass machte heute den Anfang, ein Nobelpreisträger soll auch den Abschluss bilden. Mit einem echten Highlight wusste Sebastian Reimann nämlich noch zu überraschen. Vom JungChemikerForum Rostock eingeladen, wird der Schweizer Chemiker und Nobelpreisträger Richard R. Ernst am 7. Mai im Audimax Rostock zu Gast sein.

Keine Sorge, Chemie ist nicht das Thema. Vielmehr geht es um die interkulturelle Passion des Wissenschaftlers: „Tibetische Malkunst, Pigmentanalyse und Wissensvermittlung an tibetische Mönche” – Termin vormerken!

PS: Da hat Cornelia Pfabel so nett und geduldig versucht, ihrem ahnungslosen Gegenüber (mir!) alles über Böden, Pilze, Pappeln und Hackschnitzel beizubringen und nun das: Die Festplatte ist voll. Okay, eine kleine Notlüge. Aber eigentlich ist das Thema so interessant, dass es einen eigenen Beitrag verdient. Wenn ich im nächsten Februar zur ‚Pappelernte‘ eingeladen werde (als rein passiver Beobachter, versteht sich), gibt es ihn – versprochen!

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