Judith Zander zu Gast in Rostock
Preisträgerin des Sinecure Landsdorf stellt ihren Debütroman vor und hält eine Poetikvorlesung
20. November 2010, von Andre
Viele große Schriftsteller werden erst im späten Alter so richtig erfolgreich. Selten kommt es vor, dass schon der Debütroman für großen Wirbel sorgt. Anders bei Judith Zander. Die 30-Jährige erhielt für ihren ersten Roman „Dinge, die wir heute sagten“ den 3sat-Preis in Klagenfurt. Die Qualität des Buches scheint sich bis nach Rostock rumgesprochen zu haben, wie die Lesung am Donnerstag in der anderen buchhandlung bewies.
„Platz ist in der kleinsten Hütte“, sagte Buchhändler Manfred Keiper bei seiner Begrüßung.

130 Gäste waren gekommen, um Judith Zander lesen zu hören, damit war die Veranstaltung mehr als ausverkauft. Moderiert wurde der Abend von Wolfgang Gabler, einem der Entdecker der Autorin. Schon vor Jahren hat sie Gedichte in der Rostocker Literaturzeitung Risse veröffentlicht und so ist der Lektor und Literaturagent auf sie aufmerksam geworden.
„Dinge, die wir heute sagten“ spielt in der fiktiven, vorpommerischen Stadt Bresekow, die in der Nähe von Anklam liegt. Nach dem Tod der alten Frau Hanske kommt ihre Tochter mit Mann und Kind zurück in den Ort. Das bringt das Dorfleben gehörig durcheinander. Es dreht sich alles um eine Vergewaltigung und andere Leichen, welche die Dorfbewohner im Keller haben.

Der Roman besitzt keine zentrale Erzählfigur, neun Personen kommen zu Wort und treiben die Geschichte hauptsächlich mit Monologen voran. Die Figuren sind aus drei Dorfgenerationen. Judith Zander gelingt es dabei sehr gut, die einzelnen Altersgruppen durch Dialekt und auch das Gesagte selbst voneinander zu unterscheiden.
In der anderen buchhandlung las sie eine Passage von Romy, der jüngsten Erzählfigur, und von Hartmut, der mittleren Altersgeneration. Bei der 17-jährigen Romy stehen die Schule und Themen wie Gefühle und Freundschaft im Mittelpunkt, an Hartmut konnte man vor allem Facetten des typischen Familienlebens erkennen.

Nach der Lesung gab es die Gelegenheit, noch Fragen zu stellen. So erfuhr man etwa, dass Judith Zander Beatles-Fan ist (die Beatles spielen auch im Buch eine wichtige Rolle) oder aber, dass der Roman an die Jugend der Autorin, die in Anklam geboren wurde und erst für das Studium Mecklenburg-Vorpommern verließ, angelehnt ist. „Es ist kein autobiografisches Buch, aber es ist auch kein nicht autobiografisches Buch“, sagte Zander.

Eine andere Facette der symphytischen Schriftstellerin zeigt sich am nächsten Tag im Hörsaal der Hautklinik der Universität.
Auch wenn sich die Uni mit diesem sehr heruntergekommenen Gebäude nicht von der besten Seite zeigte, waren doch viele Gäste gekommen, um der Poetikvorlesung von Judith Zander zu folgen. Am Anfang des Jahres wurde sie mit dem Sinecure Preis ausgezeichnet. Damit verbunden ist ein dreimonatiger Stipendienaufenthalt in Landsdorf auf dem Anwesen der Familie Schäfer. Diese vergeben den Preis, lassen sich aber von Universitätsprofessor Lutz Hagestedt beraten. Mit dem Preis verbunden ist diese Vorlesung und ein anschließendes Seminar in Landsdorf.

Der Vortag trug den Titel „Störquellen – Die Poetik des Rauschens“ und bewies eindrucksvoll, dass Judith Zander nicht nur auf dem Gebiet der Prosa bewandert ist. Die hochwissenschaftliche Darbietung behandelte die unterschiedlichen Formen von Rauschen, die Wirkung auf den Menschen und auch die Verwendung in Kunst und Literatur. Rauschen sei dabei „die Stimme aller Weltvorgänge, universell und nicht abstellbar“, so Zander.
Nach der anspruchsvollen Vorlesung ging es mit mehreren Autos nach Landsdorf, einem Ortsteil von Tribsees, wo im Gutshaus der Familie Schäfer, Judith Zanders Rostockreise ein Ende fand. Mehr Interessierte als eingeplant waren gekommen, um unter der Leitung von Lutz Hagestedt über die Texte der Autorin zu sprechen. Hausherr Gerd Schäfer betonte, dass Judith Zander der „bisher liebenswürdigste Gast war. Sie war ein feenhaftes Wesen, das durch den Park rauschte.“

Das Seminar selbst war dann eher müßig. Aus dem kurzen Romanausschnitt konnte man nicht viel über das gesamte Buch sagen. Da jedoch viele Leute noch nicht den gesamten Roman kannten, war eine umfassende Diskussion schwierig. Und auch die anschließende literaturwissenschaftliche Auseinanderpflückung des Gedichtes „blesewitzer messung“ war langwierig und für einige Anwesende durchaus unverständlich, warum ein Gedicht so tief analysiert werden muss.
Trotzdem war auch das Seminar, wie schon die Lesung, von einer positiven Stimmung geprägt. Die Autorin lachte häufig, die Gäste konnten sich amüsieren und auch Lutz Hagestedt schien seinen Spaß zu haben. Zum Abschluss hatte die Familie Schäfer noch Wein, Brot und Kürbissuppe zur Stärkung vorbereitet. Schließlich mussten die meisten Gäste wieder nach Rostock. Ein gelungener Abschluss für zwei gelungene Tage.