Moritz Schlick Gesamtausgabe: Nachlass und Korrespondenz

Langzeitprojekt der Hamburger Akademie der Wissenschaften und der Moritz-Schlick-Forschungsstelle Rostock

26. April 2011, von

Vor gut hundert Jahren kam der in Berlin geborene Philosoph und Naturwissenschaftler Moritz Schlick nach Rostock. Zuvor hatte er Naturwissenschaften, Mathematik und Psychologie studiert und bei Max Planck promoviert. An der Universität Rostock habilitierte er im Jahre 1911 mit seiner Arbeit zum Thema „Das Wesen der Wahrheit nach der modernen Logik“.

Zehn Jahre forschte und lehrte der Wissenschaftler in unserer Hansestadt und pflegte hier unter anderem eine freundschaftliche Beziehung zu Albert Einstein, der anlässlich der Verleihung seiner Ehrendoktorwürde der Universität im Haus von Moritz Schlick weilte. Als einer der ersten befasste sich Schlick mit dessen Relativitätstheorie. „Schlick war Einsteins Hausphilosoph“, sagt Dr. Olaf Engler von der Moritz-Schlick-Forschungsstelle an der Universität Rostock.

Aber nicht nur mit Einstein, auch mit anderen bedeutenden Persönlichkeiten der Wissenschaft und Philosophie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stand Moritz Schlick in Gedankenaustausch, darunter Max von Laue, Ernst Cassirer, Bertrand Russell und Ludwig Wittgenstein.

Zwei Plaketten erinnern an dem Haus in der Dehmelstraße an den Aufenthalt Moritz Schlicks und Albert Einsteins in Rostock
Zwei Plaketten erinnern an dem Haus in der Dehmelstraße an den Aufenthalt Moritz Schlicks und Albert Einsteins in Rostock

Später in Wien, wo er bis zu seiner Ermordung 1936 wirkte, gründete er einen wissenschaftlichen Diskussionszirkel, der als „Wiener Kreis“ des logischen Empirismus bekannt wurde.

Neben erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Arbeiten beschäftigte sich Moritz Schlick auch mit Fragen der Ästhetik, Ethik und Kulturphilosophie. Als „großer Gegner Kants“ gilt er nicht nur als Revolutionär der Philosophie, sondern auch als Interpret der modernen Wissenschaften und Brückenbauer zwischen den Disziplinen, ordnet Olaf Engler die Bedeutung Schlicks ein.

„Seine Schriften haben entscheidende Impulse für die moderne Sprachphilosophie und Wissenschaftstheorie gegeben“, erklärt Professor Dr. Dr. Hans Jürgen Wendel, Leiter der Moritz-Schlick-Forschungsstelle, die sich seit 1998 mit dem Leben, Werk und Wirken des Wissenschaftlers befasst.

Ziel ihrer Arbeit ist es unter anderem, gemeinsam mit verschiedenen Kooperationspartnern eine 30-bändige Moritz-Schlick-Gesamtausgabe zu veröffentlichen. Erstmals soll so das gesamte Schaffen des Wegbereiters der analytischen Philosophie und Wissenschaftstheorie des 20. Jahrhunderts in einer wissenschaftlichen Edition zugänglich gemacht werden. Die ersten Bände mit den zu Lebzeiten veröffentlichten Schriften Schlicks sind bereits seit 2006 erschienen. Nun wollen sich die Wissenschaftler seinem Nachlass und seiner Korrespondenz widmen.

Hans Jürgen Wendel vor dem Porträt Moritz Schlicks
Hans Jürgen Wendel vor dem Porträt Moritz Schlicks

Etwa 16.000 Blätter, darunter Manuskripte, Vorlesungen, Notizhefte und grafische Aufzeichnungen sowie 5000 wissenschaftliche und private Briefe liegen dafür in einem Archiv im niederländischen Harlem bereit und sollen in diesem Sommer vollständig digitalisiert werden.

Das auf zwanzig Jahre angelegte Großprojekt wird jeweils zur Hälfte vom Bund und dem Land Mecklenburg-Vorpommern finanziert. Die Mittel werden von der Akademie der Wissenschaften Hamburg aus ihrem Programm zur Förderung geisteswissenschaftlicher Langzeitprojekte zur Verfügung gestellt. Ihr Präsident Professor Dr. Heimo Reinitzer lobt: „Die benötigten 4,2 Millionen Euro sind eingeworben worden aufgrund der hervorragenden Vorarbeit und eines überzeugenden Editionskonzeptes.“ Auch die Universität unterstützt das Forschungsvorhaben mit Personalstellen, Räumen und Technik. So konnte die Moritz-Schlick-Forschungsstelle erst kürzlich in die Parkstraße 6 umziehen.

Noch in diesem, spätestens aber im nächsten Jahr soll der erste Band des Nachlasses der Gesamtausgabe erscheinen, kündigt Hans Jürgen Wendel an. Bis 2030 wollen die Forscher die Gesamtausgabe beenden.

Heimo Reinitzer, Michael Großheim, Hans Jürgen Wendel, Mathias Iven und Olaf Engler
Heimo Reinitzer, Michael Großheim, Hans Jürgen Wendel, Mathias Iven und Olaf Engler

„Sie entsteht nicht zum Selbstzweck, die irgendwann in den Regalen der Bibliotheken verschwinden soll. Die Forschung ist eingebettet in weitere Arbeiten zu systematischen Fragen, die uns hier beschäftigen“, so der Leiter der Forschungsstelle.

Da Moritz Schlick mehr Interesse verdient hat, als das von im Elfenbeinturm sitzenden Wissenschaftlern, ist es den Mitarbeitern der Forschungsstelle ein wichtiges Anliegen das thematische Umfeld auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Bereits in der Vergangenheit haben Vorträge unter dem Titel „Natur und Geist“ in der Weiland-Buchhandlung stattgefunden, die sich mit der Philosphie Moritz Schlicks beschäftigten.

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