Schneller Kohleausstieg in Rostock gefordert

Während Umweltschützer auf dem Neuen Markt für einen schnellen Kohleausstieg demonstrieren, gründet sich im Rathaus die Projektgruppe „Wärmeplan Rostock 2050“

24. Juni 2020, von
Umweltschützer fordern vor dem Rostocker Rathaus einen schnellen Kohleausstieg
Umweltschützer fordern vor dem Rostocker Rathaus einen schnellen Kohleausstieg

Während im Rathaus beraten wurde, wie die Wärmeversorgung der Hansestadt Rostock klimaneutral gestaltet werden kann, demonstrierten Umweltschützer heute Mittag vor dem Verwaltungssitz für einen schnellen Kohleausstieg.

„Ich würde mir wünschen, dass es morgen ausgestellt wird“, bekennt Umweltsenator Holger Matthäus (Grüne) mit Blick auf das Steinkohlekraftwerk im Rostocker Überseehafen. Den gut angebundenen Standort würde er jedoch gern erhalten – mit Biomasse, Wasserstoff oder anderen Energieträgern.

Doch Mecklenburg-Vorpommerns einziges Kohlekraftwerk „ist nicht in kommunaler Hand“, stellt der Senator klar. Ob und bis wann das Kraftwerk läuft, liege in der Hand der Betreiber EnBW Energie Baden-Württemberg und RheinEnergie. „Was wir bestimmen können, ist, inwieweit wir Fernwärme aus dem Kraftwerk auskoppeln“, so Matthäus.

Fernwärmeliefervertrag läuft 2024 aus

Genau hier möchte die Initiative „Rostock kohlefrei“ ansetzen. Ein Teil der Rostocker Fernwärme kommt aus dem Kohlekraftwerk. Der Vertrag zwischen Kraftwerksbetreibern und Stadtwerken läuft 2024 aus und soll nicht verlängert werden, fordern die Umweltschützer. Sie setzen darauf, dass sich die reine Stromerzeugung dann nicht mehr rentiert und die Betreiber das Kraftwerk früher abschalten. Geht die Rechnung allerdings nicht auf, bleibt die Abwärme ungenutzt und für die von den Stadtwerken auszugleichende Fernwärme fällt zusätzliches CO2 an. Mit einem Bürgerbegehren soll Druck auf die Bürgerschaft ausgeübt werden. Folgt das Stadtparlament der Forderung nicht, ist für nächstes Jahr ein Bürgerentscheid geplant.

Ute Römer, Vorstand der Stadtwerke Rostock AG, bestätigt, dass der zehnjährige Fernwärmeliefervertrag Ende 2024 ausläuft. Wie es danach weitergeht, könne sie noch nicht sagen. Es wäre auch ein Vertrag mit kürzerer Laufzeit möglich. „Wir sind in Verhandlungen mit den Eigentümern“, erklärt Römer, auch weil das Kraftwerk in den letzten Monaten kaum lief und somit fast keine Fernwärme geliefert hat. Corona-bedingt waren die Preise an der Strombörse im Keller und „dieses Kraftwerk läuft nur, wenn die Strompreise hoch sind“, so Römer.

„Wenn das monatelang außer Betrieb ist, brauchen wir mit denen vielleicht gar nicht mehr zu verhandeln“, ergänzt Matthäus. „Was die an Wärme abgeben können, das brauchen wir dann nicht mehr.“

Wärmeplan Rostock 2050: Holger Matthäus (Senator für Infrastruktur, Umwelt und Bau, v.l.), Ute Römer (Vorstand Stadtwerke Rostock AG) und Andreas Engelmann (1. Stellvertreter der Vorsitzenden des Ausschusses für Stadt- und Regionalentwicklung, Umwelt und Ordnung)
Wärmeplan Rostock 2050: Holger Matthäus (Senator für Infrastruktur, Umwelt und Bau, v.l.), Ute Römer (Vorstand Stadtwerke Rostock AG) und Andreas Engelmann (1. Stellvertreter der Vorsitzenden des Ausschusses für Stadt- und Regionalentwicklung, Umwelt und Ordnung)

Stadtwerke können Fernwärmebedarf abdecken, Redundanz fehlt

Prinzipiell könnten die Stadtwerke den Fernwärmebedarf von Rostock ohne Kohlekraftwerk abdecken, sagt Ute Römer. Nur wenn es sehr kalt wird, wäre evtl. eine zusätzliche Einspeisung östlich der Warnow notwendig.

Bei der Versorgungssicherheit spiele die Redundanz jedoch eine wichtige Rolle, so Römer. Erst wenn verschiedene Technologien, wie Wärmespeicher oder Geothermie-Kraftwerk, ins Fernwärmenetz eingebunden werden, können die Stadtwerke ohne Kohlekraftwerk für eine hohe Ausfallsicherheit sorgen.

Wirtschaftlichkeit und Preise im Blick

„Die neuen Technologien sind allerdings nicht zum Nulltarif zu bekommen“, stellt Ute Römer klar. Die Energieversorgung muss für die Rostocker bezahlbar bleiben.

Sie möchte an alle Ideen ein „Preisschild hängen“. Dann müsse man beurteilen, welche Maßnahmen unter wirtschaftlichen Aspekten den schnellsten und größten Effekt haben.

Wärmeplan Rostock 2050

Auch wenn hauptsächlich das Kohlekraftwerk die Gemüter bewegte, ist der „Wärmeplan Rostock 2050“ sehr viel breiter angelegt. Zusätzlich zu Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen ist ein Geothermie-Kraftwerk ebenso im Gespräch wie eine Power-to-Heat-Anlage, mit der überschüssige Windenergie in Wärme umgewandelt werden kann. Auch der Warnow oder dem Abwasser könnte Wärme entzogen und zum Heizen genutzt werden.

All dies hätte Auswirkungen auf den Flächennutzungsplan, erläutert der Umweltsenator. Neben der Erzeugung „grüner Wärme“ gehe es im Wärmeplan um die Bedarfssenkung von Gebäuden und die Effizienzerhöhung, so Matthäus.

Eine heute gegründete Projektgruppe aus Vertretern von Stadtwerken, Wohnungswirtschaft, Klimaschutzleitstelle, Universität und Agenda21-Rat soll die Energiewende zu erneuerbaren Wärmequellen begleiten. „Ziel ist die wirtschaftliche, sichere und zukünftig CO2-neutrale Wärmeversorgung in Rostock“, so Römer.

Unter Beteiligung der Rostocker soll der Wärmeplan innerhalb der nächsten zwölf Monate diskutiert und fertiggestellt werden. 200.000 Euro werden dafür investiert, 100.000 Euro kommen vom Bund, 70.000 Euro vom Land und 30.000 Euro von der Stadt. Mit 170.000 Euro soll der Großteil der Mittel in Studien fließen.

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