Paperboat: 14. Internationaler Papierschiff Wettbewerb

Schiffe versenken an der Uni Rostock – welches trägt mehr Blei?

7. Mai 2010, von
Paperboat - 14. Internationaler Papierschiff Wettbewerb in Rostock
Paperboat - 14. Internationaler Papierschiff Wettbewerb in Rostock

„Runter kommen sie alle“, heißt es umgangssprachlich so schön. „Sinken werden sie alle“, hätte da passenderweise das Motto der heutigen Veranstaltung in der Schiffstechnik der Uni Rostock lauten können, wurde hier doch „Schiffe versenken“ gespielt.

Nein, nicht auf die klassische Weise mit Stift und Papier. Hier wurden echte Schiffe versenkt – Schiffe aus Papier, versteht sich. Das Versenken war natürlich nicht das eigentliche Ziel des Wettbewerbs. Vielmehr ging es um die Zuladung, die die selbst gebastelten – oder besser konstruierten – Schiffchen aufnehmen können, bis sie untergehen.

Bereits zum 14. Mal wurde der Internationale Papierschiff Wettbewerb heute am Lehrstuhl Schiffbau der Universität Rostock ausgetragen. Worum es geht? In einem Aquarium werden die Schiffe langsam mit Blei beladen – bis zum Untergang. Das Schiff mit der höchsten Tragfähigkeit gewinnt.

Papierschiff „Hertha“
Papierschiff „Hertha“

Zehn Gramm durfte solch ein Schiff maximal wiegen, viel mehr Vorschriften existieren nicht. Und so gab es reichlich Konstruktionen zu bestaunen, in allen Formen und Farben und – wie es sich gehört – mit klangvollen Namen.

Eines hatten sie heute aber alle gemeinsam, sie wurden dem nassen Element geopfert. Von der „MS St. Pauli“ (David-Sodi Ritz, Wossidlo-Gymnasium Waren), über „Hertha“ (Team MCG, Marie-Curie-Gymnasium Wittenberge) bis zur „Gossachta“.

Klasse 8a der Bertha-von-Suttner-Oberschule Berlin
Klasse 8a der Bertha-von-Suttner-Oberschule Berlin

„Gossachta“? „Ist doch ganz klar“, erklärten mir die sympathischen Schülerinnen der Bertha-von-Suttner-Oberschule aus Berlin-Reinickendorf: „Goss(e)-acht-a“ – Ulf Gosse lautet der Name ihres Physiklehrers und sie gehen in die Klasse 8a. Logisch, oder? Erwachsene können manchmal etwas begriffsstutzig sein. Jetzt aber schnell ein Themenwechsel, bevor noch jemand auf die Idee kommt, die Schüler wollten mit dem Bootsnamen ihren Lehrer symbolisch versenken.

Wer die Idee zur Teilnahme hatte? Ihr Lehrer habe ihnen vom Wettbewerb erzählt und sie seien natürlich sofort begeistert gewesen, erzählen sie mir. Gearbeitet haben die Schüler in vier Teams, die Grundlagen kamen aus dem Physikunterricht und einen Tag wurde intensiv zusammengearbeitet.

Zum heutigen Wettbewerb waren sie extra mit dem Zug aus Berlin angereist. Unterricht kann also doch Spaß machen – man muss nur auf die richtige Schule gehen.

Jörn Kiele mit „Schwimm?“ und „Schwimm!“
Jörn Kiele mit „Schwimm?“ und „Schwimm!“

Als kleiner Geheimtipp wurde Jörn Kiele gehandelt, der zusammen mit Hannes Müller mit seinen Schiffen „Schwimm?“ und „Schwimm!“ ins Rennen ging. So nutzte ich die Gelegenheit, mir seine Konstruktionen in noch trockenem Zustand anzuschauen.

Sein Studienfach? „Ich habe gerade eineinhalb Jahre in Stockholm studiert“, verrät er mir, „Leichtbau und Verbundbaustoffe.“ Wenn das nicht passt! Ist hohe Festigkeit bei geringem Gewicht doch gerade bei diesem Wettbewerb von enormer Bedeutung.

Ansonsten habe er in Dresden Maschinenbau studiert, mit der Vertiefung auf Luft- und Raumfahrt. Eigentlich sei er aber schon fertig: „Die Diplomarbeit ist abgegeben, ich warte nur noch auf das Ergebnis und einen Termin für die Verteidigung“, erzählte er mir. Luftfahrt und Schiffbau seien gar nicht so weit voneinander entfernt, ein Flugzeug- und ein Schiffsrumpf sind sich von der Art her sehr ähnlich. „Es gehe darum, die Konzepte zu verstehen, wo Kräfte auftreten, wie man sie abstützt und wie man Versteifungen sinnvoll gestaltet.“

Beeindruckend anzusehen waren die Querversteifungen. Wie sein Schiff entstanden ist? Mittels 3-D-Modell am Computer, „dann habe ich mir Schablonen zum Ausschneiden ausgedruckt“, so der Konstrukteur. Hightech beim Schiffe versenken!

Weltrekord-Halterin Gabriele Lüdtke
Weltrekord-Halterin Gabriele Lüdtke

Eine Institution im Papierschiffbau ist Familie Lüdtke aus Güstrow. Steht Gabriele Lüdtke doch auf Platz eins und zwei der ewigen Bestenliste, Tochter Jessica folgt auf Rang fünf. Mit einer Tragfähigkeit von sage und schreibe 5.132 stellte Gabriele Lüdtke 2008 den Bestwert auf, im letzten Jahr lag sie mit 5.045 Gramm nur knapp dahinter.

Was die Weltrekordlerin gelernt hat? Damenmaßschneiderin ist sie. Ein paar Parallelen gib es da schon, so Gabriele Lüdtke, „man muss aufpassen, dass man Nähte nicht zu breit macht, sie müssen elastisch sein und auch beim Schnitt müsse man die Rundungen so berechnen, dass sich der Stoff ausdehnen kann. Das habe ich einfach aufs Schiff übertragen.“

Wie lange der Bau der Boote etwa dauert? „Das geht schnell, wir haben Schablonen – einer schneidet zu, der andere filzt, … – zwischen Kaffee und Abendbrot ist alles erledigt.“ Da in diesem Jahr keine Luftkammern mehr erlaubt seien, handelt es sich allerdings um eine komplette Neukonstruktion, so erfuhr ich.

Ob dies für sie eine Art Familienwettstreit wäre, wollte ich von den Beiden noch wissen, so nach dem Motto, der Gewinner muss ein Jahr lang nicht mehr abwaschen. „Keine schlechte Idee“, so Gabriele Lüdtke schmunzelnd, „aber daran hätten sie bisher noch nicht gedacht.“

Papierschiff-Befüllungsanlage bei Familie Lüdtke
Papierschiff-Befüllungsanlage bei Familie Lüdtke

Das Erfolgsgeheimnis der Familie? „Von der Natur abgeschaut“, könnte man es umschreiben. „Bionik“ sei schon im Spiel, erläutern mir die Beiden.

Bei ihm hätten die Baumwurzeln Pate gestanden, die schräg in die Erde gehen und dem Baum Stabilität verleihen. Bei Gabriele Lüdtke waren es Bienenwaben, die als Vorbild dienten – kein Wunder bei dem Schiffsnamen „Wabienchen“.

Ein Geheimnis sei auch die Befüllungsanlage, die mir kurz demonstriert wurde. Sie soll die Kugeln anfangs gleichmäßig in die Verstrebungen verteilen.

Das Schöne an solch einem Wettbewerb? Der Ausgang lässt sich einfach nicht vorhersagen. Und so musste sich die Titelverteidigerin heute geschlagen geben. Trotz Befüllungsanlage verteilten sich die Bleikugeln einfach nicht schnell und gleichmäßig genug in den Verstrebungen.

Kai und Sten Neumann - Sieger beim 14. Internationalen Papierschiff Wettbewerb
Kai und Sten Neumann - Sieger beim 14. Internationalen Papierschiff Wettbewerb

Wer statt der Titelverteidigerin gewonnen hat? Kai Neumann (12) und sein jüngerer Bruder Sten (11) aus Hohen Wangelin haben heute allen die Show gestohlen. 2.457 Gramm trug das Papierschiff „Bob“ der beiden Schüler von der Fleesenseeschule in Malchow.

Besonders Sten hielt es vor Spannung kaum noch aus. Mit einer vorsichtigen Prognose von 1.500 Gramm kamen noch etliche Boote nach ihnen an die Reihe und so mussten die Beiden lange bangen, ob ihr Ergebnis reicht.

500 Euro gab es neben dem Wanderpokal für die Brüder. Nicht wenig Geld für Jungs in diesem Alter – was sie mit dem Gewinn machen? „Keine Ahnung“, waren sich beide einig.

Sten Neumann - so sehen Gewinner aus
Sten Neumann - so sehen Gewinner aus

Wer jetzt denkt, Physik müsse das Lieblingsfach solch erfolgreicher Schiffsbauer sein, hat sich geirrt. Mathe und Sport sind es bei Sten, Mathe und Englisch bei Kai. Lediglich drei oder vier Tage hätten sie an Ihrem Siegermodell gebastelt „und zwar jeweils nur eine dreiviertel Stunde pro Tag“, betonte Kai.

Die weiteren Plätze machten heute die Schüler des Wossidlo-Gymnasiums Waren unter sich aus. Bronze und Silber gingen mit der „Waren“ (2.276 Gramm) und der „PS Emil“ (2.208 Gramm) an Emil Baumotte und Raphael Creutzburg.
Platz vier gab es für die „Stella Maris“ (2.210 Gramm) von Antonia Sehmsdorf, Platz fünf für die „M.S. Crackmayre“ (2.103 Gramm) von Jonas Gretzler und Kristopher Kuhn.

Ein beachtlich knappes und konstantes Ergebnis! Ach ja, der anwesende Lehrer der Warener Schüler ist übrigens auch der Onkel der beiden Neumann-Brüder. Die Waren-Müritz-Gegend scheint durchaus ein gutes Plätzchen für Papierschiffbauer zu sein.

Dirk Krompholz
Dirk Krompholz

Neben der Paradedisziplin, der höchsten Tragfähigkeit, wurden aber noch weitere Preise vergeben.

So für die beste Konstruktion. Hier siegten Jörn Kiele und Hannes Müller mit ihrem Boot „Schwimm?“. Die Konstruktion ihres knall-orangenen Schiffes hatte es also nicht nur mir angetan. Auch die Jury zeigte sich von ihr beeindruckt. Auf dem zweiten Platz landete der Rostocker Dirk Krompholz mit seiner „Schuhbert“. Mit 50 Euro Preisgeld wurde ihm die Anreise versüßt. Helga Sieber durfte sich mit „Hella“ über Platz drei freuen.

Julia Reinkober und Laura Stock - beste Prognose
Julia Reinkober und Laura Stock - beste Prognose

Prämiert wurde auch die beste Prognose. Ins Verhältnis gesetzt wurden hier die Prognosen der Schiffbauer zur tatsächlichen Tragfähigkeit.

Viele hatten leider gar keine Prognose gewagt. „Das soll für alle ein Ansporn sein“, so Prof. Robert Bronsart, „beim nächsten Mal eine Prognose abzugeben.“

Michael Wolgast
Michael Wolgast

Denn nur so kann man teilnehmen und gewinnen. Und zu gewinnen gab es was – 100 Euro abzüglich der Abweichung von der eigenen Schätzung, um genau zu sein. 4,1% waren dies bei den Gewinnern Julia Reinkober und Laura Stock (Gymnasium Wellingdorf) mit ihrer „Schwentine“. Wie viel das in Euro und Cent macht? Ach egal! Wer will denn jetzt rechnen? Freude ist angesagt und die war den beiden Schülerinnen ins Gesicht geschrieben.

Platz zwei ging an Michael Wolgast („PFS Enterprise“, Wossidlo-Gymnasium Waren), den dritten Rang gab es auch hier für die Brüder Kai und Sten Neumann und ihre „Justus“.

Eherepaar Lüdtke mit den Gewinnern Kai und Sten Neumann
Eherepaar Lüdtke mit den Gewinnern Kai und Sten Neumann

Nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf. Das konnte man zumindest meinen, wurden vor dem Haus doch schon eifrig Fachgespräche geführt – zwischen den Titelverteidigern und Weltrekordlern Lüdtke und den Gewinner-Brüdern Kai und Sten Neumann.

Da darf man jetzt schon gespannt sein auf die 15. Auflage des Internationalen Papierschiff Wettbewerbs im kommenden Jahr.

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