60 Jahre Fischwirtschaft in Rostock-Marienehe

Ausstellung auf dem Traditionsschiff in Rostock-Schmarl

24. April 2010, von
Traditionsschiff Typ Frieden im IGA-Park Rostock
Traditionsschiff Typ Frieden im IGA-Park Rostock

„Rostocker Hochseefischerei – 60 Jahre Fischwirtschaft in Rostock – Marienehe“ lautet das Motto der Ausstellung, die seit gestern auf dem Traditionsschiff zu sehen ist.

Ich hatte bereits einen nicht ganz so kurzen Fußmarsch hinter mich gebracht, als ich an diesem Morgen das Traditionsschiff Typ „Frieden“ am Ufer des Breitlings in Rostock-Schmarl erreichte. War ich doch durch den gesamten IGA-Park gelaufen. Als ich das letzte Mal hier war, konnte man sich vor Menschenmassen kaum retten. Jetzt war mir absolut niemand begegnet und nur das morgendliche Gezwitscher und Gezirps der Vögelchen hatte mich auf meinem Weg begleitet.

Das Traditionsschiff beherbergt das „Schiffbaumuseum Rostock“. Im Laderaum des ehemaligen Frachtschiffes finden ständig Ausstellungen statt, die es zu einem Herzstück des Rostocker Schiffbau- und Schifffahrtsmuseums machen. Gestern wurde dort die Ausstellung „Rostocker Hochseefischerei – 60 Jahre Fischwirtschaft in Rostock – Marienehe“ eröffnet.

Rostocker Shantychor Luv un Lee
Rostocker Shantychor Luv un Lee

Dieses Ereignis würdigte der Shantychor „Luv un Lee“ schon zu Beginn der Veranstaltung überaus feierlich. Da wurde nämlich voller Hingabe das „Hochseefischerlied“ gesungen. Der 1981 gegründete Chor fühle sich sehr verbunden mit dem Fischkombinat Rostock und sei immer wieder glücklich, wenn er von der Hochseefischerei singen könne, erklärte sein Sprecher.

Peter Danker-Carstensen
Peter Danker-Carstensen

Dr. Peter Danker-Carstensen, Leiter des Schiffbau- und Schifffahrtsmuseums, begrüßte sodann die Gäste. Anlass der Ausstellung sei die vor 60 Jahren erfolgte Gründung des Fischkombinats Rostock, erläuterte er. Dann erfuhr ich, dass sie in Zusammenarbeit mit ehemaligen Hochseefischern vorbereitet worden sei. Diese hätten sich in dem Arbeitskreis „Tradition Rostocker Hochseefischerei“ zusammengefunden. Großartig, dachte ich. Wenn wohl noch jemand weiß, wie es damals wirklich war, dann doch die Hochseefischer selbst, oder?

Gezeigt würden Exponate, die die Geschichte der ostdeutschen Fischwirtschaft am Standort Rostock dokumentierten, führte Dr. Peter Danker-Carstensen weiter aus. „Es ist die Geschichte des 1950 gegründeten Kombinates, eines Zweckzusammenschlusses, wie er nur unter den Bedingungen der DDR damals entstehen konnte“, sagte er. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Hochseefischer sowie die Fangtechniken und deren Ergebnisse ständen dabei im Mittelpunkt. Ein Höhepunkt der Ausstellung sei ein eigens zu diesem Zweck angefertigtes Flächenmodell des Fischereihafens, wie er sich 1990 präsentierte, so Danker-Carstensen.

Bürgerschaftspräsidentin Karina Jens
Bürgerschaftspräsidentin Karina Jens

Die Bürgerschaftspräsidentin der Hansestadt Rostock, Karina Jens, betonte die tiefe Verbundenheit der Menschen in Rostock mit dem Maritimen und der Schifffahrt und sagte: „gerade weil wir uns ja auch als Stadt am Meer verstehen und den maritimen Charakter immer wieder betonen, ist diese Ausstellung hier richtig. Denn wir sind auch heute eine Stadt, die mit dem Wasser, vom Wasser und am Wasser lebt.“ Darüber hinaus ließ sie es sich nicht nehmen, ihren Wunsch, das Traditionsschiff in den Stadthafen zu verlegen, anzusprechen. Der derzeitige Standort bringe einfach Probleme mit sich. Vor allem der erforderliche Anreiseweg gestalte sich oftmals problematisch, sagte sie.

OB Roland Methling
OB Roland Methling

Oberbürgermeister Roland Methling erinnerte an die Tatsache, dass das Fischkombinat Rostock für einen langen Zeitraum der größte Fischfangbetrieb auf deutschem Boden war. Seit 1969 seien hier mehr als zweieinhalb tausend Tonnen Fisch angelandet worden. Ich erfuhr von ihm auch, dass der Fischverbrauch in der DDR außergewöhnlich hoch war. Bis zu zwanzig Kilo pro Kopf seien verbraucht worden, sagte er. Fisch sei damals sehr viel preiswerter gewesen. So habe es etwa Fisch für weniger als zwei Mark pro Kilo zu kaufen gegeben. Gerade Studenten hätten deshalb viel Fisch gegessen, weshalb die Küchen und Flure in den Studentenwohnheimen dann einen äußerst markanten Geruch angenommen hätten. Der Oberbürgermeister sprach da aus Erfahrung. Er habe von 1972 bis 1976 in Rostock studiert und sei wie viele andere damals ein Fan des Fischkombinates gewesen. Nach der Wende sei der volkseigene Großbetrieb dann leider entflochten und privatisiert sowie die Mehrzahl der Schiffe verkauft oder verschrottet worden, erklärte Methling. „Wie der Fischfang hier abgewickelt worden ist“ gehöre „zu den traurigen Kapiteln.“

Fritz Hartung
Fritz Hartung

„Die Schiffe des Fischkombinates und ihre Besatzungen trugen den Namen der Hansestadt Rostock über alle Weltmeere hinaus in die Welt und sie waren gute Botschafter für unsere Stadt“, sagte Fritz Hartung vom Arbeitskreis „Tradition Rostocker Hochseefischerei“. Außerdem erinnerte er an die herausragenden Leistungen, die die Hochseefischer unter oftmals schwersten Bedingungen erbracht hätten. Im Laufe des vierzigjährigen Bestehens des Betriebes hätten mehr als 50.000 Personen ihre Beschäftigung in diesem Produktionszweig gefunden, erklärte er. Doch die Hochseefischerei habe eine kaum mit anderen Tätigkeiten vergleichbare Verantwortung bei der Bewältigung der Gefahren im Eis der Polarmeere, bei Stürmen und Orkanen und bei der Beherrschung der komplizierten Technik an die Menschen gestellt. Zudem seien die Männer und Frauen auf den Fangschiffen oft monatelang auf See von ihren Familien getrennt gewesen und sie arbeiteten wochentags wie auch feiertags. „Das erfordert Menschen besonderer Art, die geprägt sind durch höchste persönliche Einsatzbereitschaft, Standhaftigkeit, Mut, Hilfsbereitschaft, Solidarität und Kameradschaft“, so Hartung. Der Arbeitskreis „Tradition Rostocker Hochseefischerei“ will diese Menschen und ihre Leistungen nicht in Vergessenheit geraten lassen. Die Ausstellung „Rostocker Hochseefischerei – 60 Jahre Fischwirtschaft in Rostock – Marienehe ist ein einmaliges Zeugnis dieses Bemühens.

Nachdem der Shantychor im Lied „Rolling home“ die Erinnerung an die nach monatelanger Reise empfundene Freude der Hochseefischer auf ihre Heimat noch einmal heraufbeschworen hatte, galt die Ausstellung als eröffnet.

Ausstellung Rostocker Hochseefischerei
Ausstellung Rostocker Hochseefischerei

Ich begab mich in einen der ehemaligen Frachträume des Traditionsschiffes und nahm die Exponate zur Geschichte des Fischkombinates Rostock in Augenschein. Modelle von Fischereischiffen, die Arbeitsbekleidung der Hochseefischer, Netzmodelle und technische Geräte sind da zu sehen. Darüber hinaus geben Schautafeln Aufschluss über das Leben an Bord eines Fangschiffes, die Gründung des Fischkombinates, die Fischverarbeitung an Land und vieles mehr. Auch ein Filmbeitrag über die Hochseefischerei in der DDR wird gezeigt. Ich entdeckte etwa das Modell eines Garnelentrawlers mit Ausleger –Technologie und zwei Schleppnetzen, aber auch Geräteträger für die Unterwasserbeobachtung.

Ausstellung 60 Jahre Fischwirtschaft in Rostock Marienehe
Ausstellung 60 Jahre Fischwirtschaft in Rostock Marienehe

Ein freundlicher Herr erklärte mir, dass damit das Verhalten der Fischschwärme beobachtet worden wäre. Doch auch die Kunst kommt hier nicht zu kurz. So sind Kleinplastiken des ostdeutschen Bildhauers Wolfgang Eckardt ausgestellt. Dieser besaß ab 1961 ein Atelier im Fischkombinat und fühlte sich sehr mit diesem verbunden. Auf diese Weise wurden die Seefahrt und die Fischerei zu Hauptthemen seines künstlerischen Schaffens. In der Ausstellung kann auch das von ihm geschaffene Portrait des „Kapitän Heinz Adler“ betrachtet werden.

Wer schon immer einmal mehr über die Hochseefischerei wissen wollte und obendrein ein reges Interesse für die Geschichte der DDR besitzt, sollte sich diese Ausstellung auf keinen Fall entgehen lassen. Leider ist sie nur für zwei Monate zu sehen. Danach wird sie in der Form nicht mehr existieren. Bis zum 4. Juli jedoch kann sie im Traditionsschiff auf dem IGA-Gelände noch besucht werden. Am 28. April, 19. Mai, 24. Juni und 1. Juli werden darüber hinaus jeweils um 16 Uhr Vorträge stattfinden. Am 4. Juli um 14 Uhr lädt das Museum zu einem Gesprächsnachmittag mit ehemaligen Hochseefischern ein.

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