Bildungsstreik 2011 in Rostock
Schüler, Auszubildende und Studenten demonstrieren für ein besseres Bildungssystem
17. November 2011, von Stefanie
Baufällige Schulgebäude, veraltete Lernmittel, Kopfnoten, überfüllte Hörsäle, Bildungsgebühren, Ausgrenzung – es gibt genug Gründe, die Schüler, Auszubildende und Studenten hierzulande heute auf die Straße trieben. In über 40 Städten bundesweit wurde zum Bildungsstreik aufgerufen. In Rostock versammelten sich bei Temperaturen knapp über den Gefrierpunkt fast 300 junge Menschen aus der Hansestadt, Wismar, Güstrow und der Region zum Protestzug durch die Innenstadt.
Mit Pfeifkonzerten, Protestgesängen und Transparenten machten sie ihrem Ärger Luft. Ihr Motto: Für Solidarität und freie Bildung.
Besonders die mangelnde finanzielle Ausstattung der Bildungseinrichtungen wurde kritisiert. „Das führt dazu, dass immer mehr Eltern ihre Kinder auf Privatschulen schicken. Aber das kann sich nicht jeder leisten. Wo bleibt da die Chancengleichheit?“, fragt Niels, der die elfte Klasse einer von 503 öffentlichen Schulen des Landes besucht. 71 Privatschulen wurden im Schuljahr 2010 laut statistischem Amt Mecklenburg-Vorpommern gezählt, Tendenz steigend.

Lukas, der die zehnte Klasse des Gymnasiums Reutershagen besucht, holt ein zerfleddertes Leseheftchen aus seiner Schultasche.„Bei manchen Deutschbüchern muss man selbst zusehen, wie man sie klebt.“
„Einige Lehrmittel sind sogar von 1980“, weiß sein Mitschüler Christopher. Max, der dritte im Bunde beklagt: „Verpflegung an den Schulen, Bustickets und Bücher sind für die Eltern viel zu teuer.“
Für eine freie Hin- und Rückfahrt zur Schule und kostenlose Ausbildung setzt sich auch Anna Pofahl ein. Die 20-Jährige befindet sich gerade in einer Ausbildung zur Sozialassistentin an der beruflichen Schule „Alexander Schmorell“ und nimmt mit ihren Klassenkameraden an der Demonstration teil.

Dass ihr Protest etwas bewirkt, davon sind auch Isabel und Muriel überzeugt. „Wir sind da, damit die Anzahl der Demonstranten steigt. Die Politiker sollen merken, dass die Situation an den Schulen wirklich stört und nicht nur drei Leute davon betroffen sind“, erklären die 16-Jährigen von der Rostocker Borwinschule, die ganz konkret das Kurssystem an ihrer Gesamtschule beanstanden.
Vielseitig sind die Probleme im Bildungssystem, auf die die jungen Menschen aufmerksam machen wollen.

„An der Uni ist das Hauptproblem der Personalplan, der 2004 gefasst wurde und von einbrechenden Studierendenzahlen ausgegangen war. Das ist jedoch nie eingetreten. Die Studierendenzahlen sind weiter gestiegen. Demnach ist die Uni auch sehr schlecht ausgestattet. Wir haben vollkommen überfüllte Hörsäle. Die Frage ist auch, ob man Seminare mit 150 Teilnehmern noch so nennen kann. Das Studium leidet ganz enorm darunter. Da muss sich auf jeden Fall etwas ändern“, fordert Florian Fröhlich, Referent für Hochschulpolitik des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), der diese Protestaktion veranstaltete.
15.000 Studenten zählt die Universität Rostock. Ein vergleichsweise geringer Anteil nutzte den Aktionstag, um gegen Missstände zu demonstrieren. Sind die Rostocker Hochschüler etwa zufrieden mit ihrem Studium? „In Teilen mag das sein, weil schon viel geleistet wurde. Ich glaube auch gerade in Naturwissenschaften gibt es nicht so arge Probleme, weil der Andrang der Studierenden nicht so groß ist“, differenziert Florian Fröhlich. Allerdings räumt er auch Versäumnisse in der Vorbereitung der Protestaktion ein. So sei alles sehr kurzfristig auf die Beine gestellt worden, auch die Unterstützung seitens der Universitätsleitung hatte die Studenten erst kurz zuvor erreicht.

Dennoch glaubt der Student, dass dies ein richtiger Schritt ist, um auf die Probleme aufmerksam zu machen. „Wir hoffen, dass das auch ankommt und sich wirklich etwas ändert. Der Bildungsstreik 2009 hat viel bewegt. Da gab es ein neues Landeshochschulgesetz, in das wir viel unterbringen konnten, wie zum Beispiel die Begrenzung der Prüfungsleistungen.“
Beim Bildungsstreik 2009 engagierten sich viele der jetzigen Demonstranten zum ersten Mal in dieser Form für ein besseres Bildungssystem. Damals schwappte eine Protestbewegung von Wien nach Deutschland herüber. Hörsäle wurden besetzt, auch das Rostocker Audimax wurde von Studenten okkupiert. Im Dezember 2009 kamen gut 1200 Schüler, Auszubildende und Studenten aus Mecklenburg-Vorpommern zur Demo nach Rostock. Beim Bildungsstreik im Juni 2010 waren es gut 800 Demonstranten.