Bürgerbühne startet am Volkstheater Rostock

Laiendarsteller erarbeiten am Rostocker Volkstheater ein Stück zum Thema Reproduktion

21. Oktober 2014, von
Unerwartet große Resonanz beim ersten Infotreffen zur neuen Bürgerbühne in Rostock: Der Stuhlkreis musste mehrfach erweitert werden.
Unerwartet große Resonanz beim ersten Infotreffen zur neuen Bürgerbühne in Rostock: Der Stuhlkreis musste mehrfach erweitert werden.

Beim andauernden Streit um die Ausstattung des Rostocker Volkstheaters geht es vorrangig ums Geld. Darunter mischen sich jedoch auch Stimmen, die danach fragen, für wen es überhaupt da sein soll. Na, fürs Volk, das steckt doch schon im Namen. Neben dem ständigen mehr oder weniger erfolgreichen Bemühen, Zuschauer in die Vorstellungen zu locken, verfolgt das Volkstheater seit dieser Spielzeit einen neuen Ansatz, Impulse in der Stadt zu setzen und mit ihren Bürgern in Kontakt zu treten: die Bürgerbühne. Am Sonntag fand dazu das erste Informationstreffen statt.

Bei der Bürgerbühne handelt es sich um einen noch recht jungen Ansatz, Theater mit Menschen zu machen, die keine professionellen Schauspieler sind. 2006 wurde dieses Konzept in Dresden entwickelt, ist dort mittlerweile auf sechs Stücke gewachsen und hat auch in anderen Städten wie Mannheim und Göttingen Nachahmer gefunden.

Es ist kein Laientheater im herkömmlichen Sinne. Die Personen auf der Bühne schlüpfen nicht als Laienschauspieler in die Rolle einer Dramenfigur, sondern treten als sie selbst auf, als Experten des Alltags. „Die Idee ist, dass sie Fähigkeiten haben, die Profi-Schauspieler nicht haben“, erläutert Autor und Regisseur Tobias Rausch, der die Bürgerbühne am Volkstheater leitet, den neuen Zugang zu Themen. Diese sollen mit der Stadt zu tun haben und Kommunikationsprozesse ermöglichen. Es muss nicht immer Shakespeare sein. Obwohl der schon viele Befindlichkeiten der Menschen in seinen Dramen abdeckt, tauchen manchmal Themen auf, die virulent werden, für die es aber kein passendes Stück gibt, sagt Liz Rech, die in dem ersten Bürgerbühnenstück die Regie übernimmt. Forschend nähert sich die Akteure, die an der Bürgerbühne teilnehmen, einem Thema: Ideen werden gesammelt, durch Recherche und Gespräche mit Fachleuten vertieft und erst zum Schluss entsteht das Theaterstück. Der Anspruch ist, „tatsächlich Kunst zu machen, in einem professionellen Theater, mit einem Regieteam, Ausstatter und Budget“, so Rausch. Ziel sei es, Theateraufführungen zu entwickeln, die nicht nur Freunde und Familie besuchen, sondern thematisch und künstlerisch auch für andere interessant sind.

Ein Theaterstück zum Thema Reproduktion

Die Organisatoren der Bürgerbühne in Rostock: Theaterpädagogische Betreuerin Petra Slowig, Regisseurin Liz Rech und Leiter Tobias Rausch. Außerdem gehören noch Ausstatter Tassilo Tesche und Regieassistent Erik Raab zum Team.
Die Organisatoren der Bürgerbühne in Rostock: Theaterpädagogische Betreuerin Petra Slowig, Regisseurin Liz Rech und Leiter Tobias Rausch. Außerdem gehören noch Ausstatter Tassilo Tesche und Regieassistent Erik Raab zum Team.

Und was könnte für das Rostocker Publikum interessant sein? „Immer ein Riesenthema für jeden Einzelnen ist das Kinderkriegen oder keine Kinder kriegen“, erklärt Liz Rausch, die dem ersten Projekt den Arbeitstitel RE°°°produktion gegeben hat. Rollenerwartungen an die Eltern, Rabenmütter, medizintechnische Entwicklungen wie künstliche Befruchtung, Queereltern und Patchworkfamilie, Illusion der Machbarkeit, Mensch spielt Gott, wirft sie Schlaglichter aus dem gesellschaftlichen Diskurs bei der Vorstellung des Projektes ein.

Schon im Vorfeld hat das Regieteam Kontakt zu möglichen Partnern aufgenommen und zum ersten Gespräch eingeladen. Gekommen waren Vertreter aus Vereinen, die getrennte Familien unterstützen oder mit Rat und Tat Homosexuellen zur Seite stehen. Eine Familiendemografin der Universität, die sich mit dem Thema Reproduktion befasst, nahm mit drei Studenten teil. „Betroffene“ waren ebenfalls neugierig geworden. Wie ein Vater, der nach der Trennung von der Mutter sein Vatersein nicht auf das Wochenende beschränken will, eine hochschwangere Theaterpädagogin, die wohl nicht die ganze Projektlaufzeit begleiten kann oder eine Mutter, die mit ihrem Baby und einem Kleinkind gekommen war und erzählte, dass jeder von ihnen einen anderen Familiennamen habe, da die Mädchen von unterschiedlichen Vätern seien und sie dafür oft schräg angeschaut wird.

Aber auch Theaterfreunde hat das Projekt schon angezogen. Die pensionierte Lehrerin Inge Janetzkow erklärt: „Ich würde alles unterstützen, was dem Theater hilft.“ Und auch der ehemalige Bürgermeisterkandidat Toralf Vetter, der bereits an einem Mehrgenerationstheaterprojekt mitgewirkt hat, möchten seinen Beitrag leisten „bevor das Theater ganz geschlossen wird. Als Hartz IV-Empfänger habe ich dafür Zeit.“

Zeit müsse man allerdings schon etwas mitbringen, zwei Probentermine pro Woche und ein Wochenende pro Monat sind für das Ensemble angesetzt, das aus zehn bis zwölf Personen bestehen soll, erklären die Organisatoren. Aber auch andere können sich mit ihrem Expertenwissen kurzzeitig einbringen.

Am 1. oder 2. November finden Auswahlworkshops statt, bei denen das Regieteam mit Interessenten vertieft ins Gespräch kommen möchte. Auch ein späterer Einstieg sei noch möglich. Die Premiere des Theaterstückes ist für April geplant.

Weitere Infos: http://reproduktionrostock2015.wordpress.com/

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