Bundespräsident Gauck in Rostock zum Ehrenbürger ernannt

Bundespräsident Joachim Gauck wurde heute bei einem Festakt in der Marienkirche das Ehrenbürgerrecht seiner Heimatstadt Rostock verliehen

9. August 2012, von
Bundespräsident Joachim Gauck wurde heute in Rostock zum Ehrenbürger ernannt
Bundespräsident Joachim Gauck wurde heute in Rostock zum Ehrenbürger ernannt

„Das ist doch auch nur ein Mensch.“ „Mir wäre lieber, die Straßenbahnen würden pünktlich fahren.“ – Nicht alle Passanten hatten gestern Verständnis für den Rummel, der am Nachmittag auf dem Neuen Markt herrschte und für eine Vollsperrung der Straßenbahnlinien sorgte. Andere hingegen reckten mit glänzenden Augen stolz die Brust, hatten sie doch zuvor Bundespräsident Joachim Gauck die Hand gereicht oder sich mit ihm fotografieren lassen, als dieser sich – eingebettet in einem Pulk aus Schaulustigen, Journalisten und Polizisten – den Weg von der Marienkirche zum Rathaus bahnte.

Für sie, wie auch für die Mehrheit der Rostocker Bürgerschaft, ist er ein besonderer Mensch. So griff die Bürgerschaft einen Vorschlag von 23 Einwohnern Rostocks vom Januar 2011 auf und beschloss am 4. April dieses Jahres Joachim Gauck zum Ehrenbürger zu ernennen. „In Würdigung seiner außergewöhnlichen und bleibenden Verdienste für die Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit sowie das Gemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger der Hansestadt Rostock“, wie Bürgerschaftspräsidentin Karina Jens aus der Urkunde vorlas, die sie ihm in einem Festakt überreichte.

Neben Joachim Gaucks Lebensgefährtin Daniela Schadt, Ministerpräsident Erwin Sellering und Oberbürgermeister Roland Methling erlebten 900 Gäste, wie sich das Staatsoberhaupt in das Ehrenbuch der Stadt eintrug. Sichtlich gerührt, mit den Tränen kämpfend, aber auch mit freudigem und zufriedenem Lächeln war Joachim Gauck dafür in die Rostocker Marienkirche gekommen.

„Jochens Heimatstube“, wies Pastor Tilman Jeremias in seiner Begrüßung hin. Denn hier hatte Joachim Gauck als Pastor im Herbst 1989 die donnerstäglichen Friedensgebete maßgeblich mitgestaltet, zu denen sich bis zu 4000 Menschen im Vorfeld der Demonstrationen einfanden.

Einen Eindruck von der Atmosphäre in dieser bewegten Zeit vermittelte ein Tonmitschnitt aus dem Archiv der Staatssicherheit. Zu hören waren Anleitungen Gaucks für die folgende Demonstration mit dem Routenverlauf durch die Innenstadt und dem Aufruf, auf jegliche Gewalt zu verzichten. Die Einspielung sollte an „den Ernst der Lage und die Heiterkeit, die so eine Selbstbefreiung auslöst“ erinnern, sagte Gaucks langjähriger Weggefährte Christoph Kleemann, damals Sprecher des Runden Tisches, nach der Wende amtierender Oberbürgermeister und erster Präsident der Rostocker Bürgerschaft, der damit seine Laudation einleitete. Darin unterstrich er die Bedeutung der Ereignisse von vor 23 Jahren und die Rolle Joachim Gaucks „als ein Sprachrohr der Erniedrigten, die den aufrechten Gang üben und dabei sich selber finden und die großen Güter der Menschheit: Freiheit, Zivilcourage, Verantwortung, Gestaltungswillen, Zuversicht.“

In seiner Dankesrede sagte Joachim Gauck: „Ich finde es schön, dass Sie mich an eine Zeit erinnert haben und mich dafür geehrt haben, die die größte Zeit meines Lebens war. Befreiung zu erleben und sie selber gestalten zu dürfen, darüber geht nichts, keine andere Ehrung, kein anderes Amt, auch nicht das eines Präsidenten. Das war die größte Zeit meines Lebens.“

Joachim Gauck wurde 1940 in Rostock geboren, hat hier Theologie studiert und bis 1990 als evangelischer Pastor gearbeitet. Nach der Wende wurde der DDR-Bürgerrechtler zum Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen. Am 18. März dieses Jahres wählte ihn die Bundesversammlung zum 11. Bundespräsidenten, nachdem er bei seiner Kandidatur 2010 noch Christian Wulff den Vortritt lassen musste.

Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts ist die höchste Auszeichnung der Hansestadt Rostock. Sie wurde seit 1990 nur zwei weitere Male verliehen: an den israelischen Historiker Yaakov Zur sowie an den Schriftsteller Walter Kempowski.

„Tau tau schön“, fasste Joachim Gauck die Ereignisse des Tages zusammen, als er später die Hanse Sail eröffnete. „Die Musik, der Ort, die unglaublich vielen Gesichter – das war so eine Mischung, die unmittelbar ins Herz geht.“

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