Lange Straße wird ab Mai zur Fahrradstraße

In einem Modellprojekt wird die Lange Straße im Rostocker Stadtzentrum ab Mai zur Fahrradstraße – der Vogelsang wird für den Kfz-Verkehr komplett abgehängt

27. Januar 2022, von
Lange Straße wird ab Mai zur Fahrradstraße (Foto: Archiv)
Lange Straße wird ab Mai zur Fahrradstraße (Foto: Archiv)

In einem einjährigem Modellversuch wird die Lange Straße ab Mai 2022 zur Fahrradstraße umgestaltet. Heute Abend wurden die Pläne im Fahrradforum vorgestellt. Neu ist, dass der Vogelsang für den Kfz-Verkehr komplett abgehängt wird. Am Ostende kann künftig nur noch gewendet werden. Kraftfahrzeuge können die Lange Straße hier weder befahren noch verlassen.

„Wir wissen alle, dass wir erhebliche Sicherheitsprobleme in der Langen Straße haben – insbesondere Radfahrende im Konflikt mit den Autofahrenden“, erläutert Holger Matthäus, Senator für Infrastruktur, Umwelt und Bau, die Motivation für das Modellprojekt „Lange Straße – Fahrradstraße“. „Die Maßnahmen, die wir dort in den letzten Jahren durchgeführt haben, haben alle nicht richtig dazu beigetragen, dass Radfahrende sich dort sicher fühlen können“, so Matthäus.

Früher Radfahrstreifen, aktuell Mischverkehr

In den 1990er Jahren wurden in der Langen Straße 1,70 Meter breite Radfahrstreifen in beiden Richtungen angelegt. Diese stellten sich jedoch als unfallträchtig heraus, zwischen Radfahrern und ein-/ausparkenden bzw. ab-/einbiegenden Fahrzeugen kam es zu Konflikten.

2018 wurde der Radfahrstreifen als Sperrfläche markiert und war als Sicherheitstrennstreifen zu den Parkplätzen gedacht. Kraftfahrzeuge und Radfahrer sollten sich den Rest der Fahrbahn als Mischverkehr teilen. Dies führte jedoch zu neuen Konflikten: Da der Radfahrstreifen baulich noch vorhanden ist, nutzen ihn einige Radfahrer weiterhin – aus Unwissenheit oder weil sie sich zusammen mit den Kfz unsicher fühlen, denn dort wird teilweise gedrängelt, gehupt oder viel zu knapp überholt.

Im Juni 2021 gab es noch konkrete Planungen für eine Rückkehr zu den Radfahrstreifen. Nach einem Besuch von Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos) in der Fahrradhauptstadt Münster sprach sich dieser jedoch nur wenige Tage später überraschend für eine Fahrradstraße aus.

Lange Straße wird in einjährigem Modellversuch zur Fahrradstraße

Ab dem 1. Mai 2022 wird die Lange Straße zu einer Fahrradstraße umgestaltet, Kraftfahrzeuge dürfen sie jedoch weiter befahren. Mit dem vorerst auf ein Jahr befristeten Modellversuch auf Grundlage von §45 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) soll getestet werden, ob eine Fahrradstraße das geeignete Mittel in diesem Bereich ist, erklärt Lisa Wiechmann vom Amt für Mobilität. Die Steigerung der Verkehrssicherheit sowie des subjektiven Sicherheitsgefühls für Radfahrer nennt Wiechmann als Hauptziel. Mit einer Erhöhung des Radverkehrsanteils bei gleichzeitiger Reduzierung des Kfz-Verkehr soll zudem die Attraktivität der Innenstadt erhöht werden.

Von Osten kommend soll die Fahrradstraße gegenüber der Marienkirche beginnen, etwa dort wo jetzt bereits der Radfahrstreifen endet, erläutert Martin Schüffler vom Amt für Mobilität. Allerdings soll die Einleitung über eine deutlichere Straßenmarkierung erfolgen, so wie aktuell bereits seit Kurzem in der Gegenrichtung, Höhe Kuhstraße. Enden soll sie dort, wo es keine Konflikte mit parkenden Fahrzeugen mehr gibt, also kurz vor dem Haus der Schifffahrt. Von Westen kommend beginnt das Modellprojekt in Höhe Kuhstraße, das genaue Ende an der Marienkirche ist noch in Feinabstimmung.

Neben beidseitiger Beschilderung am Straßenrand soll es eine Roteinfärbung mit Wiederholung des Verkehrszeichens auf der Fahrbahn geben. Da das Projekt befristet ist, muss man aber berücksichtigen, wie man nach einem Jahr ggfs. alles wieder einfach entfernen kann, erklärt Schüffler. „So viel wie möglich, so wenig wie nötig“ laute daher das Motto. Wiederholungen der Verkehrszeichen sind aktuell hinter Pädagogienstraße und Fauler Grube auf der Südseite sowie hinter Burgwall und Badstüberstraße auf der Nordseite vorgesehen. Ob die nicht mehr vorhandene Funktion der ehemaligen Radfahrstreifen durch Blumenkübel o.ä. verdeutlicht wird, ist noch in der Diskussion. Sowohl die Parkordnung als auch die Anzahl der Stellplätze bleiben unverändert.

Verkehrsaufkommen und -ströme sollen während der einjährigen Laufzeit dokumentiert und ausgewertet werden. Zusätzlich sind Erhebungen zum subjektiven Verkehrssicherheitsempfinden geplant. Interessenvertreter und Bürger sollen die Zukunft der Langen Straße sowie die Rostocker Mobilitätswende diskutieren.

Zur Akzeptanz des Modellversuchs sollen Website, Banner und Social-Media-Aktivitäten beitragen. Dabei soll auch noch einmal auf die geltenden Verkehrsregeln in einer Fahrradstraße hingewiesen werden.

Verkehrsregeln in einer Fahrradstraße

Grundsätzlich dürfen in einer Fahrradstraße nur Radfahrer sowie Elektrokleinstfahrzeuge, wie E-Scooter, fahren. Mit Zusatzzeichen können Kraftfahrzeuge erlaubt werden, dies wird auch in der Langen Straße so sein.

Es gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, der Radverkehr darf jedoch weder gefährdet noch behindert werden, heißt es in der StVO. Wenn nötig, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit weiter verringern. Radfahrer dürfen ausdrücklich nebeneinander fahren, auch wenn Kraftfahrzeuge dadurch nicht überholen können.

Vogelsang wird für Kfz-Verkehr abgehängt

Neu in den Planungen ist, dass die Straße „Vogelsang“ komplett für den Kfz-Verkehr abgehängt wird. Die Anbindung an die Grubenstraße sowie die L22/Am Strande wird in beide Richtungen getrennt. Wer die Lange Straße aus Westen kommend befährt, kann an der Marienkirche nur noch wenden. Von der Grubenstraße aus ist keine Einfahrt mehr möglich. In der Kleinen Wasserstraße soll die Fahrtrichtung umgekehrt werden.

„Zielstellung ist hier, den Kfz-Durchgangsverkehr deutlicher zu reduzieren“, begründet Schüffler die Maßnahme. Eine Erhebung im Dezember 2021 ergab zwar nur ca. 22 Prozent Durchgangsverkehr, allerdings waren die Rahmenbedingungen schlecht, so der Verkehrsplaner. Tendenziell dürfte der Anteil höher liegen, aktuell stehen Kameras in der Langen Straße und erfassen noch einmal die Daten. Im schlechtesten Fall könnte sich der Kfz-Verkehr durch das Wenden und beidseitige Befahren sogar erhöhen.

Wie die Sperren baulich umgesetzt werden, steht noch nicht fest. Versenkbare Poller sind für einen Modellversuch jedoch nicht nur zu teuer, so Schüffler, sie sind so kurzfristig auch nicht realisierbar. Klar ist: Radfahrer und Rettungsfahrzeuge müssen den Bereich weiterhin passieren können, ebenso die Busse der Fledermauslinie, die hier nachts vom Rathaus kommend einbiegen.

Lange Straße – wie geht es 2023 weiter?

„Das Jahr ist lang genug, um Erfahrungen zu sammeln“, sagt Martin Schüffler. Mit allen Beteiligten soll einvernehmlich geschaut werden, ob sich das Projekt bewährt und zu einer Dauerlösung werden kann oder noch mal ganz anders angegangen werden muss. Ein „fließender Übergang“ sei möglich, so der Verkehrsplaner, vielleicht müsse man aber auch schon während des Versuchs etwas gegensteuern, wie bei der Sommerstraße „Am Brink“.

„Der große Umbau der Langen Straße – das wird sich noch ein wenig ziehen“, stellt Senator Holger Matthäus jedoch klar. Für die „breiteste Straße von Rostock“ braucht es „erhebliche Finanzmittel“ und eine „größere Vorplanung“.

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