Neueste Nachrichten aus Rostock und Warnemünde

Horst Evers im moya
Bevor das moya im Januar schließen muss, gibt es noch einige hochkarätige Termine. Vor allem Leute, die gerne und viel lachen, werden bei Künstlern wie Ingo Appelt, Markus Maria Profitlich und Vince Ebert auf ihre Kosten kommen. Am gestrigen Abend sorgte Horst Evers für prächtige Stimmung im Club. Wer Horst Evers nicht kennt, sollte ihn schnellstens kennenlernen! Er schreibt Geschichten und Lieder und das war es eigentlich schon, doch, was dabei herauskommt, ist urkomisch. Die Geschichten handeln von Alltäglichkeiten, häufig kann man sich bestens darin wiederfinden. Zu Beginn seines gestrigen Auftritts im moya, das mit ungefähr 400 Gästen gut gefüllt war, verriet Evers, dass es eigentlich überhaupt nicht um Sport geht, wie der Titel „Schwitzen ist, wenn Muskeln weinen“ vermuten lässt. Ursprünglich wollte er das Programm auch „Wahrheit, Liebe, Hoffnung“ nennen, nur entschied er, da sei nicht das ganze Programm abgedeckt. Der Comedian brauchte nicht viele Accessoires für seine Show. Ein Mikro, seine Textmappe, einen kleinen Tisch, ein Glas Wasser und natürlich sein Markenzeichen, ein rotes Hemd. Auf Instrumente, Hilfsmittel oder Videospielereien verzichtete er komplett. Und das war auch gut so, denn so konnte man sich voll auf die Texte und die geniale Vortragsweise konzentrieren. Evers wechselte dabei immer mal wieder vom Schreibtisch ans stehende Mikrofon und las auch nicht nur stumpf die Geschichten vor, die man auch auf der CD findet. Viel mehr schweifte er auch ab, etwa als an einer Stelle noch von Innenminister Schäuble die Rede war: „Ich nehme mir jeden Abend vor, das zu ändern, aber über den Tag vergesse ich das dann.“ Das Ganze wirkte sehr persönlich und man kann sich gut vorstellen, dass die Geschichten wirklich dem Leben des Künstlers entnommen sind und nicht bloß seiner Fantasie. Es ging um geklaute Fahrräder, das Projekt Nichtrauchen („Der Vorteil vom Nichtrauchen ist, dass einem nicht mehr viele Gedanken durch den Kopf gehen, sondern nur einer: Ich will rauchen!“), die Erkenntnis, dass der Spruch „Wer saufen kann, kann auch aufstehen“, eine Lüge ist und Probleme bei der Installation von Routern. Und, wie Evers berichtete, hat er häufiger Probleme mit elektrischen Geräten, die, im Gegensatz zu einem Router, zu unhandlich zum aus dem Fenster schmeißen sind. Dafür hat er sich einen Eierkocher gekauft, den er stattdessen bei Problemen mit dem Drucker aus dem Fenster wirft. In seiner ersten Zugabe verriet der Berliner, dass sein nächstes Buch am 15. Januar erscheint und den Titel „Für Eile fehlt mir die Zeit“ tragen wird. Es wird dabei vor allem um das Thema Zukunft gehen. Und da auch nach der letzten Geschichte immer noch frenetisch gejubelt wurde, kam Evers noch mal auf die Bühne und sang zum Abschluss sogar ein Lied. Wie für eine Lesung üblich, verkaufte der Autor nach dem Programm noch Bücher und CDs und signierte diese natürlich auch. Alle drei angebotenen Bücher sicherten sich auch Anja Baufeld und Rico Fürstenberg. Die beiden Rostocker kennen Evers schon lange und es hat ihnen auch diesmal wieder super gefallen: „Live ist es noch mal besser als auf Platte oder im Buch.“ Anja war besonders begeistert von der Geschichte mit dem Router, da man sich da auch gut selbst erkennen kann. Auch auf das nächste Buch freuen sich die beiden schon sehr. Auch wenn die Veranstaltung ein weiterer Schritt in Richtung Schließung des moyas war, kann man doch wenigstens nicht von einem Ende mit Schrecken, sondern von einem Ende mit viel Freude sprechen.
25. November 2010 | Weiterlesen
Ein Licht für jede Frau 2010
Das Wetter kennt kein soziales Engagement. Das wurde gestern mal wieder bewiesen. Pünktlich zur Aktion „Ein Licht für jede Frau“ auf dem Doberaner Platz setzte der Winter zum ersten Mal in diesem Jahr richtig ein. Eisiger Schneeregen, böiger Wind und frostige Kälte bestimmten das Klima. Doch das konnte die Veranstalterinnen vom Verein „Frauen helfen Frauen“ nicht davon abbringen, ein Zeichen zu setzten. Die Aktion „Ein Licht für jede Frau“ findet traditionell im Rahmen der Anti-Gewalt-Woche statt. Um den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen herum organisiert der Verein „Frauen helfen Frauen“ in dieser Woche Informationsveranstaltungen, die sich mit dem Thema Gewalt an Frauen und Kindern auseinandersetzen. Die diesjährige Anti-Gewalt-Woche steht unter dem Motto „Mut zeigen, Schweigen brechen, Gehör finden.“ 794 Teelichter und Kerzen wurden auf dem Doberaner Platz aufgestellt und von Helfern aber auch Passanten entzündet. 794 ist die Zahl der Frauen, die im letzten Jahr in Rostock Hilfe beim Verein gesucht haben, weil sie von häuslicher Gewalt betroffen waren. Einerseits eine positive Zahl, wie Lena Melle, Mitarbeiterin in der Fachberatungsstelle für sexualisierte Gewalt, berichtet. „Immer mehr Frauen suchen Hilfe und wollen das Schweigen brechen.“ Andererseits sei aber abzusehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. Neben den brennenden Lichtern wurden auch Kunstwerke und Gedichte von betroffenen Frauen ausgestellt. Doch nicht nur die brennende 794 mitten auf dem Doberaner Platz erregte Aufmerksamkeit der Passanten. Auch die Trommelgruppe Sambucus sorgte mit der musikalischen Begleitung für viel Krach und Aufmerksamkeit. Die Trommelschule hat 30-40 Mitglieder und bei Auftritten wie diesem kommen Musiker aus unterschiedlichen Städten zusammen, um zu spielen. Neben dem Verein „Frauen helfen Frauen“ waren auch andere soziale Einrichtungen zugegen, zum Beispiel der Weiße Ring oder das Frauenhaus Rostock. In den begleitenden Reden betonten die Frauen noch einmal, wie wichtig es ist, das Schweigen zu brechen und Licht ins Dunkel zu bringen. „Es geht auch um Respekt vor Frauen, die sich getraut haben zu zeigen, dass häusliche Gewalt ein allgegenwärtiges Problem ist.“ Auch Rostocks Gleichstellungsbeauftragte Brigitte Thielk und die Präsidentin der Bürgerschaft, Karina Jens, unterstützen die Veranstaltung. Jens sagte in einer kurzen Rede, dass es wichtig ist, zu sensibilisieren. „Wir müssen den Frauen Mut und Hoffnung machen“, sagte sie weiter. Sie lobte auch das Engagement vom Verein „Frauen helfen Frauen“ und allen anderen Unterstützern. Ich glaube, es ist gelungen, ein Zeichen zu setzen. Viele Interessierte wollten wissen, was es mit der erleuchteten 794 auf sich hat. Und auch, wenn es nicht die besten Witterungsbedingungen waren, wurde doch gezeigt, wie wichtig Zivilcourage und offener Umgang mit Gewalt gegen Frauen wirklich sind.
25. November 2010 | Weiterlesen
Gentechnik-Prozess im Amtsgericht Rostock eingestellt
Das Verfahren gegen drei mutmaßliche Genfeldbesetzer wurde ohne weitere Auflagen eingestellt. Ihnen war vorgeworfen worden, im April 2009 mit einer Gruppe von 20 Aktivisten ein Gentechnik-Versuchsfeld des AgroBio Technikum bei Groß Lüsewitz 20 km östlich von Rostock besetzt zu haben. Der erste Verhandlungstermin am 1. Juni dieses Jahres war wegen Tumulte im Gerichtssaal ausgesetzt worden. Nachdem etwa 30 Sympathisanten einen geordneten Ablauf mit unaufgeforderten Wortmeldungen und Gesängen unmöglich machten, wurde der Gerichtssaal geräumt. Auch außerhalb des Gerichtsgebäudes kam es anschließend zu tumultartigen Szenen. Für den für heute neu angesetzten Termin der Hauptverhandlung wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Dennoch demonstrierten etwa 30 Personen vor dem Gerichtsgebäude in der Zochstraße mit Transparenten und einem Infostand gegen den Einsatz der grünen Gentechnik und die Rolle der staatlichen Organe. Auf dem Flur vor dem Gerichtssaal hatte sich ebenfalls eine Gruppe Sympathisanten versammelt, um den Ausgang des Prozesses abzuwarten. Mit einem Kinderspiel versuchten sie sich die Zeit zu vertreiben. Als die anwesenden Polizisten befürchteten das laute Klatschen und Rufen des Spiels könnte die Verhandlung stören und sie um Ruhe baten, kam es kurzzeitig zu einer angespannten Situation. Nach einer guten halben Stunde verließen die drei Angeklagten den Gerichtssaal. „Für uns ist das Verfahren jetzt abgeschlossen“, erklärte Alexander, einer der drei angeklagten Gentechnik-Gegner. „Das ist aber nicht das Ende von unserem Protest und Widerstand gegen die Gentechnik“, verkündete der 21-Jährige. Erst gestern hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das geltende Gentechnikgesetz bestätigt und der Politik enge Grenzen gesetzt. „Angesichts eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft bei der Beurteilung der langfristigen Folgen eines Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber eine besondere Sorgfaltspflicht“, heißt es in der Urteilsbegründung. Damit scheiterte ein Vorstoß der ehemaligen schwarz-gelben Landesregierung Sachsen-Anhalts, die den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen erleichtern wollte.
25. November 2010 | Weiterlesen
Online-Matrikel-Portal der Universität Rostock gestartet
Stolz zeigt Dr. Angela Hartwig die älteste Matrikel der Universität Rostock. „Sie umfasst die Jahre 1419 bis 1760“, erläutert die Leiterin des Universitätsarchivs, „und beinhaltet 48.000 Eintragungen.“ Dass Hinricus und Hermannus Toke zu den ersten Studenten gehörten, die sich im Gründungsjahr 1419 an der Universität Rostock eingeschrieben haben, ist Teil der langjährigen Geschichte der Rostocker Alma Mater. Dass die beiden jetzt auch im Internet zu finden sind, zeigt die Verbindung von Tradition und Moderne, getreu dem Motto der Uni Rostock: Traditio et Innovatio. Mit einem symbolischen Mausklick schaltete Rektor Prof. Dr. Wolfgang Schareck heute das Online-Matrikel-Portal der Universität Rostock frei. „Wir haben eine einzigartige Situation“, beschreibt es Wolfgang Schareck. „Wir können auf die Studierenden von 1419 bis 1927 zurückschauen, in den historischen Büchern, mit den historischen Matrikelkarten“ – all das jetzt ohne Archivbesuch, ganz bequem per Internet. Ein Projekt, das in dieser Form in Deutschland einzigartig ist, betont der Rektor. Neben Dr. Hartwig brachte Prof. Dr. Kersten Krüger, Beauftragter des Rektors für die Universitätsgeschichte, den Stein ins Rollen. Unterstützung beim Aufbau der Datenbank kam aus dem Fachbereich Informatik. „Mein Freund, Herr Tavangarian, ist die Innovation und ich selber stehe für die Traditio“, drückte es der Historiker Krüger etwas salopp aus. „Aber wir verbinden uns auf das Glücklichste hier in der Matrikeldatenbank.“ Koordiniert hat das Projekt Karsten Labahn von der der Forschungsstelle Universitätsgeschichte. Zusammen mit Doreen Brandt, Robert Stephan und unzähligen studentischen Hilfskräften wurde im Mai 2008 mit der Übertragung der Informationen aus den Matrikeln begonnen. Die älteste Matrikel mit den Einträgen bis 1760 wurde schon vor etwa 100 Jahren in 20-jähriger Arbeit durchforstet und gedruckt. „Diesen Teil konnten wir aus der Druckedition in die Datenbank übertragen“, erläutert Labahn. Neben Namen, Herkunft und Datum der Immatrikulation finden sich ab dem 19. Jahrhundert vielfach weitere Informationen, wie Studienfächer, akademische Titel, Geschlecht, Religion oder auch die Berufe der Eltern. Was die reine Datenbank zu einem Portal macht, so Labahn, sind die weiterführenden Links. So können etwa die digitalisierten Originalseiten mit den originalen Handschriften der Matrikelbücher eingesehen werden. Eine interaktive Karte zeigt den Herkunftsort des Studenten und über Links kann auf den Professorenkatalog und das Vorlesungsverzeichnis des jeweiligen Semesters zurückgegriffen werden. „Eine ganz neue Möglichkeit bietet die PND-Nummer“, nennt Labahn eine weitere Besonderheit des Portals. Über diesen eindeutigen Personenidentifikator, der von der Deutschen Nationalbibliothek geführt wird, können Verknüpfungen zu anderen Portalen hergestellt werden, etwa zu Wikipedia oder zur Deutschen Biographie. „Und wir haben etwas sehr Pfiffiges gemacht“, lädt Dr. Krüger alle zum Mitmachen ein. Es gibt ein Kommentarfeld, über den jeder, der seine Vorfahren hier findet, der Datenbank weitere Informationen hinzufügen kann. Historisch Interessierte können einzelne Semester durchstöbern, die Datenbank kann aber natürlich auch nach vielfältigen Kriterien durchsucht werden. Im Matrikel-Portal finden sich nicht nur weitgehend bekannte Studenten wie Fritz Reuter, Tycho Brahe oder Erich Kästner. So gehört etwa auch Jakob Ulffson, Erzbischof von Uppsala und Mitbegründer der ältesten schwedischen Universität, zu den Ehemaligen. Etwa 72.000 Einträge sind bisher in der Datenbank erfasst. Bis 1927 sind die Daten bereits komplett, bis 1945 sind sie fast fertig, so Dr. Krüger. Bis zum 600-jährigen Jubiläum im Jahre 2019 soll die Datenbank vollständig sein – bis 1994. Seit diesem Jahr werden die immatrikulierten Studenten bereits elektronisch erfasst. Fest eingeplant sei auch die Anbindung an die Alumni-Datenbank. Tradition soll greifbar werden und „wir wollen unsere Studis an die Universität binden“, erklärt Krüger seine Motivation für das Projekt.
24. November 2010 | Weiterlesen
Bald nun ist Rostocker Weihnachstmarktzeit 2010
Zweimal werden wir noch wach, dann öffnet wieder der alljährliche Weihnachtsmarkt in der Rostocker Innenstadt seine Pforten. Die Vorbereitungen laufen dafür auf Hochtouren. Nachdem in der letzten Woche bereits die großen Weihnachtsbäume aufgestellt wurden, haben sie gestern ihre Lichterketten erhalten. Auch die vielen Buden werden nach und nach eingeräumt, damit sie in den nächsten Wochen zum Bummeln einladen. Über drei Kilometer erstreckt sich diese Bummelmeile, vom Neuen Markt bis zur Fischerbastion. 300 Schausteller und Markthändler sind dafür aus 14 Bundesländern, Polen, den Niederlanden und aus Finnland nach Rostock gekommen. Der Rostocker Weihnachtsmarkt gilt als größter Weihnachtsmarkt in Norddeutschland. Ein besonderer Höhepunkt wird wieder der historische Weihnachtsmarkt sein. In diesem Jahr bezieht er erstmals im Garten des Klosters zum Heiligen Kreuz sein Quartier. Hier wird jene Kulisse geboten, die für Gemütlichkeit, Besinnung im Banne der Geschichte und für die Aktionen der Darsteller mittelalterlicher Alltagskultur ideal geeignet sind, so die Veranstalter. Das „Zelt- und Wagendorf“ mit etwa 25 Handwerks- und Handelsstände und rund 50 Künstlern, Gauklern, Schankwirten und Handwerkern ist am Besten über den Kleinen Katthagen zu erreichen. Für Unterhaltung während der 28 Veranstaltungstage sorgt ein abwechslungsreiches Kulturprogramm. Über 70 Veranstaltungen sind auf der Märchenbühne auf dem Neuen Markt und auf der Bühne des Historischen Marktes geplant. Die Hauptperson dabei wird natürlich der Weihnachtsmann sein. Unterstützt wird er wieder traditionell von der Märchentante. Auch Piratenkapitän Feuerschlund hat sich angekündigt und wird vor allem im Klostergarten sein Unwesen treiben. 1 bis 1,5 Millionen Besucher erwartet Jörg Vogt, Geschäftsführer der Großmarkt Rostock GmbH. Denn nicht nur hierzulande erfreut sich der Rostocker Weihnachtsmarkt großer Beliebtheit. Auch für Gäste aus Schweden und Dänemark gewinnt das vorweihnachtliche Treiben in Rostocks Innenstadt zunehmend an Attraktivität. Damit die Besucher auch eine möglichst freie Fahrt zum Weihnachtsmarkt haben, werden alle Baumaßnahmen im Hauptstraßennetz mit Beginn des Rostocker Weihnachtsmarktes beendet. „Die Innenstadt wird in den nächsten Wochen uneingeschränkt erreichbar sein“, verkündet Heiko Tiburtius, Leiter vom Tief- und Hafenbauamt. Aufgrund des zu erwartenden hohen Verkehrsaufkommens vor allem an den Wochenenden empfiehlt er die Nutzung des Öffentlichen Personen Nahverkehrs. Für einen reibungslosen Ablauf in den nächsten Wochen ist auch die Rostocker Polizei im Einsatz. 24 Stunden wird sie um und auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt präsent sein. Gegen Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen werden spezielle Jugendschutzstreifen mit Vertretern des Jugendamtes eingesetzt. Auch auf die derzeit erhöhte Terrorgefahr hat sich die Polizei eingestellt und wird an zwei Standorten „martialischer“, wie sich der Leiter der Rostocker Polizeiinspektion Peter Mainka ausdrückte, auftreten. Konkret heißt das, dass Polizisten mit Weste und Maschinenpistolen ausgerüstet sein werden, wie es derzeit auch auf dem Bahnhof schon praktiziert wird. Na dann hoffen wir mal auf eine fröhliche und friedliche Vorweihnachtszeit und dass niemandem der Glühwein zu Kopfe steigt.
23. November 2010 | Weiterlesen
„Der Schimmelreiter“ im Theater im Stadthafen
Vielen dürfte Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ wohl aus dem Deutschunterricht bekannt sein. Damals wie heute gehört er zum Kanon der Schullektüre. Ein Klassiker eben, aber für viele wohl ein ziemlich spröder. Koog, Priel, Fenne und viele andere friesische Landschaftsbegriffe machen ihn gerade für junge Leser nicht einfach zu lesen. „Das Buch hat viel zu viel mit Deichbau zu tun“, meint jedenfalls die dreizehnjährige Sophia. Maria, vierzehn Jahre alt, pflichtet ihr bei und ergänzt, dass auch die alte Sprache schwer zu verstehen sei. Immerhin stammt der Schimmelreiter aus dem Jahre 1888. Die beiden Achtklässlerinnen der ecolea-Schule in Warnemünde „mussten“ die berühmte Novelle gerade erst im Unterricht lesen. Gemeinsam mit ihrer Klasse besuchten sie am Freitagabend die Uraufführung der Theaterfassung von Kay Wuschek im Theater im Stadthafen. Ob ihnen auf diese Weise „Der Schimmelreiter“ näher gebracht wird? Es muss ja einen Grund geben, warum sich gerade junge Zuschauer, und die waren zahlreich zur ersten Vorstellung erschienen, mit dem Schimmelreiter beschäftigen (sollen). Immerhin, das zentrale Motiv des Schimmelreiters, den der alte Theodor Storm kurz vor seinem Lebensende verfasst hat, ist eine Gespenstergeschichte. Geschichten von übernatürlichen Phänomenen? Wenn junge Leute Geschichten von Vampiren oder Zauberei mögen, dann muss doch auch der Schimmelreiter etwas für sie sein. Doch dieser Aspekt der Novelle wird in der Bühnenfassung von Kay Wuschek eher am Rande dargestellt. Im Mittelpunkt steht der Schimmelreiter Hauke Haien und dessen Streben nach Selbstverwirklichung. Eine Aufgabe, mit der sich bekanntermaßen jeder Heranwachsende auseinandersetzen muss. Auf der Suche nach Selbsterkenntnis reflektieren die großen Spiegel auf der Bühne daher nicht nur den Protagonisten, sondern auch das Publikum. Gezeigt wird die Entwicklung Hauke Haiens vom jungen Sohn eines Landvermessers zum mächtigen Deichgrafen. Zu dem er nicht nur wegen seiner außergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten (als kleiner Junge las er den Euklid auf Holländisch), sondern auch durch die Hochzeit mit Elke, der Tochter des alten Deichgrafen, geworden ist. Ehrgeizig setzt er in diesem hohen Amt seinen Jugendtraum um, einen Deich zu bauen, der der Gemeinschaft dient. Doch ausgerechnet mit dieser Gemeinschaft gerät er ständig in Konflikte. Zuerst mit seinem Vater, der seinen Sohn nicht ernst nimmt, dann mit Ole Peters, der ihm seine Frau und seine Position neidet und schließlich mit der gesamten Dorfgemeinschaft, die sein Konzept nicht akzeptiert. Als Kind, verliebter Teenie, machtbewusster Mann mit Verantwortung für seine Familie und die Dorfgemeinschaft – die vielen Facetten Hauke Haiens werden durch Stephan Fiedler hervorragend dargestellt. Seine Bühnenpartnerin ist Caroline Erdmann. Sie zeigt ebenfalls sehr überzeugend, wie sich Elke von einem unbekümmerten Mädchen zu einer fürsorglichen Mutter und Ehefrau entwickelt. Die Rolle des Vaters und des Oberdeichgrafen hat Jakob Kraze übernommen. Hauke Haiens Gegenspieler Ole Peters wird von Alexander Flache verkörpert. Durch ihre intensive Darstellung gelingt es dem Ensemble, das Publikum zu fesseln. Ob heitere oder schaurige Momente, die jungen Zuschauer halten sich mit vernehmbaren Reaktionen wie Lachen und Seufzen nicht zurück. Besonders beeindruckende Szenen werden auch zwischendurch mit kurzem Applaus belohnt. Nur manchmal geraten die erzählenden Passagen, die teilweise aus dem Off, teilweise von den Figuren übernommen werden, etwas lang. Dafür sorgt junge Musik zwischendurch wieder für etwas Auflockerung. Maria und Sophia fanden die Aufführung jedenfalls „gut“. „Sie haben das so gut nachgespielt“, erklären sie nach der Vorstellung und loben besonders die Handlung, die sich nicht so sehr auf die Deiche konzentrierte. Für sie war es ein gelungener Abend und „keine Zeitverschwendung“. „Der Schimmelreiter“, in der Bühnenfassung von Kay Wuschek, der auch Regie führte, ist eine Kooperation des Volkstheatersmit dem Berliner Theater an der Parkaue. Weitere Vorstellungen im Rostocker Theater im Stadthafen gibt es am 27., 29. und 30. November sowie am 11. und 16. Dezember. Später soll das Stück auch in Berlin gezeigt werden.
23. November 2010 | Weiterlesen
Herbstlaub 2010 in der anderen buchhandlung
Ein typischer Novembertag. Es ist ekliges Wetter, regnerisch und windig, die Blätter verstopfen die Abflüsse und lassen so riesige Pfützen entstehen und es wird schon um 16 Uhr dunkel. Ein idealer Tag also, um mal wieder ein gutes Buch zu lesen. Doch welches von den ungefähr 100.000 Neuerscheinungen im Jahr soll man lesen? Ihre persönlichen Tipps gaben am Samstagabend der Inhaber der anderen buchhandlung, Manfred Keiper und Klaus-Dieter Kaiser. Kaiser ist Theologe, Pastor und seit sechs Jahren der Leiter der Evangelischen Akademie Mecklenburg-Vorpommern. Zudem ist er ein Vielleser, wie Keiper verriet. Er zeigte sich erstaunt, wie man neben einer wichtigen geistlichen Tätigkeit noch Zeit hat, um jede Woche zwei bis drei Bücher zu lesen. Die Vorstellung war in drei Abschnitte eingeteilt. Da das Team der anderen buchhandlung ein reichhaltiges Büffet vorbereitet hatte, konnten nur 60 Gäste an dem Abend teilnehmen. Laut Keiper hätte er aber noch 20 Karten mehr verkaufen können, so groß sei das Interesse gewesen. Zu Anfang bekam jeder Gast eine Liste mit den 20 empfohlenen Büchern, von denen aber aus Zeitgründen nicht alle besprochen wurden. Den ersten Abschnitt kann man mit dem Thema amerikanische Autoren zusammenfassen. Vor allem Südamerikaner waren häufig vertreten. Der erste Tipp des Buchhändlers war „Das Kaninchenhaus“ von Laura Alcoba. Die Argentinierin erzählt aus der Sicht eines siebenjährigen Mädchens, wie die Militärdiktatur die Menschen verändert hat. Argentinien war in diesem Jahr Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse, was das gesteigerte Interesse an der Literatur des Landes erklärt. Kaiser empfahl zuerst zwei Bücher des chilenischen Schriftstellers Roberto Bolano. Die Bücher „2666“ und „Lumpenroman“ sind posthum erschienen, Bolano starb 2003. Das erste Buch ist mit über 1000 Seiten ein richtiger Wälzer, mit dem man alleine schon fast die dunkle Zeit überstehen kann. Der Lumpenroman ist dagegen mit knapp 100 Seiten recht kurz aber durchaus kurzweilig. Es folgten noch einige Krimis, zum Beispiel „Schneller als der Tod“ von Josh Bazell. Mit seinem Debütroman sorgte er schon für einiges Aufsehen. Nicht umsonst steht auf dem Buchrücken: „So zynisch als hätte Tarantino bei Dr. House Regie geführt.“ Nebenbei verriet Keiper auch, dass in diesem Jahr erstmals mehr Krimis als „normale“ Romane auf dem deutschen Buchmarkt erschienen sind. Nach der ersten Pause, in der sich die Gäste am wirklich sehr guten Büffet stärkten, ging es mit Sachbüchern weiter. Empfohlen wurde zum Beispiel „Die Stabilisierungsmoderne“ von Heinz Dieter Kittsteiner. Das Buch sollte den Anfang einer sechsteiligen Reihe bilden, wird aber nach dem unerwarteten Tod des Autors allein für sich stehen bleiben müssen. Betrachtet wird die Geschichte Deutschlands im Dreißigjährigen Krieg aus der Sicht eines Söldners. Keiper sagte: „Dieses Buch hat meine Neugier wirklich angefacht – Lektüre für den bildungsbürgerlichen Haushalt.“ Es wurden noch einige weitere Sachbücher vorgestellt, doch richtig spannend wurde es dann noch einmal im dritten Teil. Nach der zweiten Pause eröffnete der Buchhändler: „Wir haben ein kleines Zeitproblem. Eigentlich wollten wir Sie jetzt schon verabschieden.“ Trotzdem besprachen die Männer auch die letzten Bücher, die vor allem amüsantere Lektüre beinhalteten, noch gründlich. So empfahl Kaiser zum Beispiel „Der verirrte Messias“ von Peter Henisch. „Dieses Buch ist irre, ein wirklich abgefahrener Roman“, urteilte der Pastor. Es geht, kurz gesagt, um eine Literaturkritikerin, die einen Mann kennenlernt, der sich für Jesus hält, was zu einigen komischen Situationen führt. Das letzte Buch des Abends war „Mein erstes Auto war rot“ von Peter Schössow, ein Kinderbuch, das dem Buchhändler nur zufällig auf der Buchmesse in die Hände gefallen war. Er verliebte sich jedoch sofort und kaufte gleich drei Exemplare, eines für sich, die anderen für seine zwei Söhne. Dieses Buch ist für Kinder eigentlich viel zu schade, so Keiper und er riet, es Kindern vorzulesen, um auch selbst Freude daran zu haben. Wer den Abend verpasst hat und unter den hier vorgestellten kein Buch für sich entdeckt hat, der kann natürlich einfach in die andere buchhandlung gehen und sich dort von den sehr freundlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen beraten lassen.
22. November 2010 | Weiterlesen
Theaterprojekt „Linie 7“
Wenn man in Rostock eine Straßenbahn mit der Nummer sieben sieht, dann wird ein Fahrschüler auf seinen zukünftigen Dienst vorbereitet. Wer jedoch in den letzten Tagen einen Bus mit der Aufschrift „Linie 7“ sah, der hat einen Teil eines genialen Theaterprojektes gesehen. Ich wusste nicht wirklich, was mich erwartete, als ich mich in winterfester Kleidung, wie es auf der Homepage gefordert war, zur Kunsthalle begab. Dort angekommen, gelangte man in einen Raum, in dem sich eine Kunstinstallation befand. Marian Luft, der für das gesamte Bühnenbild des Projektes verantwortlich war, hatte ins Zentrum eine angedeutete Holzhütte gesetzt und drum herum Fernseher angeordnet, auf denen in Endlosschleifen Filmausschnitte liefen. Es ging um die Lebenswelt von anderen Menschen, um Armut und um Hilflosigkeit. Etwas surreal wurde die Situation durch einen Pianisten, der den Raum mit Loungemusik bespielte. Nach einiger Zeit begann er, die Ballade von Mackie Messer zu singen. Es stellte sich raus, dass der Pianist Lukas Rauchstein war und die Leitung des Abends übernahm. Das Projekt von Christoph Martin Schmidt ist Teil des Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Rauchstein verriet, dass insgesamt zwei Millionen Euro an Fördergeldern bereitgestellt wurden, die Hälfte aber allein in die Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums ging. 39.000 Euro wurden der „Linie 7“ zur Verfügung gestellt. Der Umgang mit der Politik wurde auch im weiteren Verlauf kritisch betrachtet. So sprach ein Vertreter des Arbeitsministeriums zu den Anwesenden und verlieh den Preis „Mutmacher 2010“ an Marian Luft. Jedoch gehörte dies alles mit zur Show und der Politiker war in Wahrheit Schauspieler. Dann startete endlich die Stadtrundfahrt. In einem Gelenkbus der RSAG ging es durch die Stadt. Moderiert wurde dieser Teil von Stefan Kolosko. Der Schauspieler und Theaterregisseur war erst zwei Tage vor der Premiere mit ins Team geholt worden und machte seine Sache äußerst gut. Die Stadtrundfahrt verlief nicht so wie erwartet. So sollten sich nicht die Gäste die Stadt anschauen, sondern die Stadt sollte auf die Gäste schauen. Sie sollten ein Teil werden und mit dem Bus in einen Neuanfang starten. Das Ganze wirkte teilweise wie ein Managerseminar und Kolosko schwor die Fahrgäste mit einem Stück aus Frau Trude, einem Märchen der Gebrüder Grimm, auf das Bevorstehende ein. Es sollte ein Auto verbrannt und so ein Neuanfang gemacht werden. Nach einer Weile kam der Bus in einem verlassenen Industriegebiet in Dierkow zum Stehen. Jeder Fahrgast bekam eine Fackel und ging, begleitet von grusliger Musik, zu dem Auto. Untermalt von einem einstudierten Spruch wurde das Auto angezündet und so der Neuanfang geschaffen. Dann fiel ein Lichtschein auf eines der Fenster, in dem Lukas Rauchstein mit seinem Akkordeon bereit saß. Auf der Rückfahrt übernahm Rauchstein auch wieder die Leitung. Er und ein weiterer Akkordeonspieler sorgten für gute Stimmung im Bus. Ich glaube, man erlebt selten, wie in einem über Kopfsteinpflaster holpernden Bus, ein Akkordeonspieler musiziert, der nebenbei auch noch singt und durch den Bus springt. Die Fahrgäste durften mitsingen und mitklatschen und gemeinsam wurde auch die Hymne des Projektes gesungen, die noch heute bei mir als Ohrwurm festsitzt. Zwischenzeitlich hielt der Bus und Gäste aus dem Asylbewerberheim Satower Straße stiegen hinzu. Mit zwei Akkordeonspielern, 40 regulären Busgästen und weiteren circa 15 Hinzugestiegenen war es zwar verdammt voll im Bus, doch die Stimmung kochte. Bis zur Endhaltestelle Kunsthalle wurde gesungen und gefeiert. Dort war das Projekt aber immer noch nicht zu Ende. Wieder in der Kunsthalle Rostock angekommen, war schon ein großes Bankett vorbereitet worden. Ein 3-Gänge-Menü, bestehend aus Salat, Kohlroulade mit Kartoffelpüree und Torte wurde gereicht, dazu gab es kostenlos Wein und Wasser. Beim Essen kam man dann auch mit anderen Gästen ins Gespräch und auch mit den Bewohnern des Asylbewerberheims. So endete der Abend in einer sehr gelösten Stimmung und in einem Miteinander vieler Menschen. Die Fahrt mit der Linie 7 war ein außergewöhnliches Erlebnis. Gleichzeitig heiter, aber auch zum Nachdenken anregend, wurde offensiv mit dem Thema soziale Ausgrenzung umgegangen. Am Freitag fährt die Linie 7 zum letzten Mal ab. Vorher gibt es im Rahmen des Projektes am Donnerstag noch eine Lesung im Hanse-Jobcenter mit Jörg Klare. Den Abschluss des Projektes wird eine Schiffsrundfahrt am Sonntag markieren, die sich mit den Schauplätzen und Geschichten des Rostocker Schiffbaus beschäftigt.
22. November 2010 | Weiterlesen
Feierliche Wiedereröffnung des Barocksaals
Es brennt wieder Licht im Barocksaal. Nach umfangreichen Sanierungsmaßnahmen lassen die großen Kristallkronleuchter die spätbarocke Pracht wieder erstrahlen. Am Samstag konnten etwa 200 geladene Gäste den reich verzierten Festsaal im Obergeschoss des Gebäudes bei einem Festkonzert anlässlich der Wiedereröffnung in Augenschein nehmen. „Der Barocksaal ist schöner den je herausgeputzt. Wir haben jetzt jeden legitimen Grund unseren Barocksaal einen Edelstein der Barockkultur zu nennen“, sagte Oberbürgermeister Roland Methling in seiner Festansprache. Die dekorativen Stuckelemente, die holzgeschnitzten Girlanden, die Medaillons mit Bildern von Mitgliedern des mecklenburgischen Herzoghauses, das Parkett und die Spiegel wurden aufgefrischt und wieder auf Hochglanz gebracht. Die Fenster und das Dach wurden erneuert. Und auch die Fassade des Gebäudes am Universitätsplatz erhielt einen neuen, hellgelben Anstrich. Im Vordergrund der Sanierungsmaßnahmen stand jedoch die Verringerung des Energieverbrauchs. Dadurch konnte der Umbau mit 1,6 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II erst ermöglicht werden. Unter der Leitung des Eigenbetriebes Kommunale Objektbewirtschaftung und -entwicklung (KOE) waren 130 Handwerker, Ingenieure und Architekten in den letzten elf Monaten mit den Sanierungsmaßnahmen am Barocksaal beschäftigt. Trotz der beeindruckenden Erneuerung des historischen Gebäudes, dessen Bau 1750 vom mecklenburgischen Herzog Christian Ludwig veranlasst wurde, ist es noch nicht perfekt. Ein richtiger Zugang fehlt noch. Aus Gründen des Denkmalschutzes wurde bisher noch kein barrierefreier Zugang eingebaut. Dies soll mit der Sanierung des angrenzenden Palaisgebäudes in den nächsten Jahren nachgeholt werden. Auch die Arbeiten im Erdgeschoss des Hauses werden noch bis zum Frühjahr andauern. Am Wochenende wurde der Festsaal jedoch schon einmal feierlich mit einem Konzert eingeweiht. Passend zum Ambiente des 18. Jahrhunderts machte das Rostocker Barockorchester, das sich erst im letzten Jahr gegründet hat, den musikalischen Auftakt. Mit barocken Musikstücken von Carl Philipp Emanuel Bach, Georg Philipp Telemann und dem italienischen Komponisten Domenico Sarri erfreuten sie – stilecht in barocken Gewändern und Perücken – die Gäste. Dass der erneuerte Barocksaal nicht nur gut aussieht, sondern auch gut klingt, bestätigten auch die Musiker. Die Cellistin Luitgard Schwarzkopf lobte die Akustik. Selbst mit den speziellen Darmsaiten, die die Musiker für die authentische Wiedergabe barocker Musik verwenden, seien die Töne gut zu hören. Den zweiten Teil des Konzertabends bestritt das Storstrøms Kammerensemble. Das kleine Orchester aus Dänemark übernahm den modernen Part. Als Erstes spielten sie zwei Arabesken von Claude Debussy nach einem Arrangement von Niels Rosing-Schow. Dann folgte „Memories“ ein Stück von Benjamin Yusupov, welches das Ensemble bei ihm bestellt hatte und durch die ungewöhnliche Spielweise der Instrumente beeindruckte. Außerdem waren zwei Sakskøbing Preludes des französisch-libanesischen Orgelvirtuosen Naji Hakim zu hören, die von dänischen Kirchenliedern inspiriert wurden. Schließlich beendete das Storstrøms Kammerensemble den ersten Konzertabend mit dem bekannten Tango Jalousie von Jakob Gade, bei dem wohl auch einige Gäste gleich das neue Parkett des Barocksaals eingeweiht hätten. Am Sonntag fand dann das erste öffentliche Konzert im erneuerten Festsaal statt. Zukünftig sollen im Barocksaal Konzerte, Lesungen und Veranstaltungen zu festlichen Anlässen von Unternehmen oder Vereinen stattfinden.
22. November 2010 | Weiterlesen
14. Rostocker Springershow 2010
Als ich am Samstag die Neptunschwimmhalle betrat, konnte ich gleich den für Schwimmhallen typischen Chlorgeruch wahrnehmen. Doch zu meiner Überraschung ging es nicht sofort an den Rand des Beckens. Der erste Teil der 14. Rostocker Springershow funktionierte ganz ohne Wasser. Veranstaltet wurde der gesamte Tag vom WSC, dem Wasserspringerclub Rostock e. V. – 150 der 400 Vereinsmitglieder waren an der Umsetzung beteiligt. Dabei waren die jüngsten sechs Jahre alt, die ältesten Mitglieder über 30, so Vereinsvorsitzender Andreas Kriehn. Den Anfang im Marmorsaal machten Jungen und Mädchen aus der fünften und sechsten Klasse. Denn Wasserspringer üben auch im Trockenen. Mit einem Sprungbrett und einer Matte zeigten die Sportler, dass sie auch ohne Wasser einige beeindruckende Sprünge draufhaben. Die von Journalist Hans-Jörg Goldhofer moderierte Show sollte vor allem aufzeigen, dass in Rostock nicht nur Fußball gespielt wird. So durften nach den Springern neun junge Damen vom Hanseturnverein ihr Können präsentieren. Sie zeigten eine sehr gelungene Vorführung ihrer rhythmischen Sportgymnastik – so wie man es kennt, mit Keulen, Bällen und Bändern. Nach einer Tanzshow vom Verein „In Style“ aus Evershagen, die viele Tanzstile miteinander kombinierte, zeigten die Jungs vom Kung-Fu Club „Goldener Drache“ eine Kostprobe von ihrem Sport. Wilson Bischoff, der vor Kurzem in Edinburg Weltmeister wurde, Tinh Phan Thanh und Florian Müller bewiesen, dass es beim Kung-Fu nicht darauf ankommt, zu kämpfen, sondern es viel eher eine Sache der Körperbeherrschung und der Konzentration ist. Nach einer weiteren Runde rhythmischer Sportgymnastik und noch einer Tanzperformance, welche zum Abschluss mit einem Limbo aufwartete, kam der Abschluss des Trockenteils. Der WSC hatte ein Synchronschwimmen einstudiert, welches ganz ohne Wasser funktionierte und für viele Lacher beim Publikum sorgte. Danach wanderten die ungefähr 2000 Gäste in die Schwimmhalle und suchten sich Plätze, um das Turmspringen zu bestaunen. Den Anfang machten die jüngsten, die wie an einer Perlenkette nacheinander vom Beckenrand sprangen. Dann gab es auch die ersten Sprünge von den Türmen zu sehen. Vom Dreier, Fünfer und natürlich auch vom 10-Meter-Turm gab es Salti, Schrauben, Handstände und Delfinsprünge zu bestaunen. Zur Auflockerung liefen zwischendrin drei Wasserspringer in durchsichtigen Bällen über das Wasser, was ziemlich anstrengend aussah. Und auch eine motivierende Performance der Cheerleader gab es zu sehen. Angestachelt davon sollte dann das Promispringen folgen. Dazu muss man aber sagen, dass nur drei Promis sich getraut haben – und diese vielleicht auch nicht jedem Rostocker bekannt sind. Kung-Fu Weltmeister Wilson Bischoff, Handballer René Gruszka und die Gewinnerin der Silbermedaille vom 10-Meter-Turm bei den Olympischen Spielen von Atlanta, Annika Walter vertraten die Rostocker Prominenz. Danach wurden wieder Einzel- und Gruppensprünge gezeigt. Vor allem junge Sportler zeigten ihr Können, was vom Publikum mit viel Applaus belohnt wurde. Natürlich durfte auch das Synchronspringen nicht fehlen. Ebenso beeindruckend waren die Kraft- und Fitnessübungen an den Sprungbrettern. Da wurde sich dann auch mal über Kopf vom Brett fallen gelassen. Den Abschluss bildeten die lustigen Springer. Auch wenn die Mischung aus Karneval und Slapstick sehr witzig aussah, waren die Sprünge doch auch sehr gefährlich. Zum Glück ist niemandem etwas passiert und so konnte das Publikum über die Sprünge der Altmitglieder gleichzeitig lachen und staunen. Man sieht nicht häufig, dass ein Fahrrad vom 10-Meter-Turm springt, oder? Außerdem wurde huckepack gesprungen, die Unterseite des Sprungturms gefegt und ein Schlauchboot versenkt. Vor allem die Kinder waren begeistert, sodass die lustigen Springer sogar noch eine Zugabe liefern mussten. Wer die 14. Springershow verpasst hat, hat im nächsten Jahr zur Jubiläumsauflage wieder die Möglichkeit, in die Welt des Turmspringens abzutauchen. Wer selbst mal nass werden will, kann das in der Neptunschwimmhalle ausprobieren und sich auch beim WSC anmelden.
22. November 2010 | Weiterlesen
Judith Zander zu Gast in Rostock
Viele große Schriftsteller werden erst im späten Alter so richtig erfolgreich. Selten kommt es vor, dass schon der Debütroman für großen Wirbel sorgt. Anders bei Judith Zander. Die 30-Jährige erhielt für ihren ersten Roman „Dinge, die wir heute sagten“ den 3sat-Preis in Klagenfurt. Die Qualität des Buches scheint sich bis nach Rostock rumgesprochen zu haben, wie die Lesung am Donnerstag in der anderen buchhandlung bewies. „Platz ist in der kleinsten Hütte“, sagte Buchhändler Manfred Keiper bei seiner Begrüßung. 130 Gäste waren gekommen, um Judith Zander lesen zu hören, damit war die Veranstaltung mehr als ausverkauft. Moderiert wurde der Abend von Wolfgang Gabler, einem der Entdecker der Autorin. Schon vor Jahren hat sie Gedichte in der Rostocker Literaturzeitung Risse veröffentlicht und so ist der Lektor und Literaturagent auf sie aufmerksam geworden. „Dinge, die wir heute sagten“ spielt in der fiktiven, vorpommerischen Stadt Bresekow, die in der Nähe von Anklam liegt. Nach dem Tod der alten Frau Hanske kommt ihre Tochter mit Mann und Kind zurück in den Ort. Das bringt das Dorfleben gehörig durcheinander. Es dreht sich alles um eine Vergewaltigung und andere Leichen, welche die Dorfbewohner im Keller haben. Der Roman besitzt keine zentrale Erzählfigur, neun Personen kommen zu Wort und treiben die Geschichte hauptsächlich mit Monologen voran. Die Figuren sind aus drei Dorfgenerationen. Judith Zander gelingt es dabei sehr gut, die einzelnen Altersgruppen durch Dialekt und auch das Gesagte selbst voneinander zu unterscheiden. In der anderen buchhandlung las sie eine Passage von Romy, der jüngsten Erzählfigur, und von Hartmut, der mittleren Altersgeneration. Bei der 17-jährigen Romy stehen die Schule und Themen wie Gefühle und Freundschaft im Mittelpunkt, an Hartmut konnte man vor allem Facetten des typischen Familienlebens erkennen. Nach der Lesung gab es die Gelegenheit, noch Fragen zu stellen. So erfuhr man etwa, dass Judith Zander Beatles-Fan ist (die Beatles spielen auch im Buch eine wichtige Rolle) oder aber, dass der Roman an die Jugend der Autorin, die in Anklam geboren wurde und erst für das Studium Mecklenburg-Vorpommern verließ, angelehnt ist. „Es ist kein autobiografisches Buch, aber es ist auch kein nicht autobiografisches Buch“, sagte Zander. Eine andere Facette der symphytischen Schriftstellerin zeigt sich am nächsten Tag im Hörsaal der Hautklinik der Universität. Auch wenn sich die Uni mit diesem sehr heruntergekommenen Gebäude nicht von der besten Seite zeigte, waren doch viele Gäste gekommen, um der Poetikvorlesung von Judith Zander zu folgen. Am Anfang des Jahres wurde sie mit dem Sinecure Preis ausgezeichnet. Damit verbunden ist ein dreimonatiger Stipendienaufenthalt in Landsdorf auf dem Anwesen der Familie Schäfer. Diese vergeben den Preis, lassen sich aber von Universitätsprofessor Lutz Hagestedt beraten. Mit dem Preis verbunden ist diese Vorlesung und ein anschließendes Seminar in Landsdorf. Der Vortag trug den Titel „Störquellen – Die Poetik des Rauschens“ und bewies eindrucksvoll, dass Judith Zander nicht nur auf dem Gebiet der Prosa bewandert ist. Die hochwissenschaftliche Darbietung behandelte die unterschiedlichen Formen von Rauschen, die Wirkung auf den Menschen und auch die Verwendung in Kunst und Literatur. Rauschen sei dabei „die Stimme aller Weltvorgänge, universell und nicht abstellbar“, so Zander. Nach der anspruchsvollen Vorlesung ging es mit mehreren Autos nach Landsdorf, einem Ortsteil von Tribsees, wo im Gutshaus der Familie Schäfer, Judith Zanders Rostockreise ein Ende fand. Mehr Interessierte als eingeplant waren gekommen, um unter der Leitung von Lutz Hagestedt über die Texte der Autorin zu sprechen. Hausherr Gerd Schäfer betonte, dass Judith Zander der „bisher liebenswürdigste Gast war. Sie war ein feenhaftes Wesen, das durch den Park rauschte.“ Das Seminar selbst war dann eher müßig. Aus dem kurzen Romanausschnitt konnte man nicht viel über das gesamte Buch sagen. Da jedoch viele Leute noch nicht den gesamten Roman kannten, war eine umfassende Diskussion schwierig. Und auch die anschließende literaturwissenschaftliche Auseinanderpflückung des Gedichtes „blesewitzer messung“ war langwierig und für einige Anwesende durchaus unverständlich, warum ein Gedicht so tief analysiert werden muss. Trotzdem war auch das Seminar, wie schon die Lesung, von einer positiven Stimmung geprägt. Die Autorin lachte häufig, die Gäste konnten sich amüsieren und auch Lutz Hagestedt schien seinen Spaß zu haben. Zum Abschluss hatte die Familie Schäfer noch Wein, Brot und Kürbissuppe zur Stärkung vorbereitet. Schließlich mussten die meisten Gäste wieder nach Rostock. Ein gelungener Abschluss für zwei gelungene Tage.
20. November 2010 | Weiterlesen
13. Rostocker Lyriknacht im Literaturhaus
„Wenn der Wind kommt, will er zur Silberpappel. Ihre Blätter kämmt er, dass sie rauschen.“ Bläst er 100 Freunde der lyrischen Worte ins Peter Weiss Haus, dann ist die Zeit reif für die Rostocker Lyriknacht.. Zum 13. Mal veranstaltete das Literaturhaus Rostock gestern Abend die Lyriknacht und es ging dabei um nicht weniger als die Wahl des Lyrikmeisters Mecklenburg-Vorpommern 2010, nicht zu vergessen natürlich auch um die passende Trophäe in Form eines übergroßen Stiftes. Aus 53 eingereichten Beiträgen wählte die Jury 13 Teilnehmer aus, die ihre Texte live dem Publikum präsentieren durften. Wer gewonnen hat? Geduld. „Romantische oder neo-romantisch aufgeladene Bilder mit echter Erfahrung zu füllen“, das sei es, was die Jury an den Gedichten des Neubrandenburgers Eberhard Schulze beeindruckt hätte. Und zwar keineswegs nur an der eingangs schon erwähnten Silberpappel. Mangel an Lebens- und Leidenswelt? In Bildern wie dem „gespaltenen Pfirsichstein“ als „Sinnbild Deines Geschlechts“ habe dieser seinen Gegenpart gefunden, lobte Jurymitglied Steffen Dürre von der Literaturzeitschrift Weisz auf Schwarz. Belohnt wurden Schulzes emotionale Bilder mit dem 3. Platz – Glückwunsch! Ganz anders präsentierte sich Martin Badenhoop aus Rostock, der mit einer Poetologie antrat und es mit der Startnummer zwei auf den zweiten Platz und damit zum Vize-Lyrikmeister 2010 schaffte. Sich mit der ihn „unmittelbar umgebenen regionalen zeitgenössischen Lyrik und mit den Lyrikern“ auseinanderzusetzen, gefiel der Jury besonders gut. Und „dass jemand Kollegen disst“, sei ganz wunderbar. Bei seiner Anspielung („Nein, Poesie darf nie carloihde werden.“) sei es ihm jedoch nicht um die Person des ebenfalls teilnehmenden Carlo Ihde gegangen, betonte Badenhoop, sondern nur um das lyrische Schaffen, ganz im Sinne der alten Dichterstreit-Traditionen. Das dürfte auch die Jury so gesehen haben, war es für sie doch einfach ein schönes „Indiz dafür, dass es eine Dichterszene in diesem Land gibt.“ Nicht weniger interessant als seine Texte ist auch der Lebenslauf von Martin Badenhoop. Aufgewachsen in der Nähe von Kiel absolvierte der heute 27-Jähige nach seinem Hauptschulabschluss zunächst eine Maurerlehre. Vom Wunsch geprägt, Philosophie zu studieren, holte er sein Abitur nach und studiert jetzt an der Uni Rostock Philosophie und Germanistik auf Lehramt. Warum gerade Rostock? Um sich der Neuen Phänomenologie zu widmen. Nur an der Universität Rostock würde es eine Professur für phänomenologische Philosophie geben. Angefangen mit der Lyrik hat es 2007, erzählt Badenhoop. Ralf Rothmann (zufällig ebenfalls ein gelernter Maurer) sei Schuld, er habe ihn inspiriert. Nicht zu vergessen Helmut Krausser, den er sehr bewundere und von dem er alle Tagebücher gelesen hat. Und was macht man, nachdem man gerade Vize-Lyrikmeister geworden ist? Man geht ins Momo und legt Platten auf. Sei dies doch seine zweite Passion, bekennt der sympathische Funk’n’Soul -Fan. Nun aber, Trommelwirbel, zum Sieger des gestrigen Abends. Publikum und Jury waren sich einig: Der Publikums- und Lyrikmeister Mecklenburg-Vorpommern 2010 heißt Gunter Lampe. Nicht zum ersten Mal übrigens, bereits 2006 gelang dem Stralsunder Heilerzieher das Double, in der Jury- und Publikumsgunst ganz vorne zu liegen. Sein Erfolgsgeheimnis? Eine Erfolgsgarantie gibt es in der Lyrik nicht, wehrt Lampe ab, so habe er es 2007 mit seinen eingereichten Beiträgen gar nicht erst in die Endrunde geschafft. Auf den Kontakt mit dem Publikum komme es an, betont der 37-Jährige. Überraschende Wendungen einzubauen, sich zu überlegen, „was würde zünden“, das sei ihm sehr wichtig. Viel Alltag finde sich in seinen Gedichten, erläutert Lampe. Anfangs widmete er sich mehr dem Größerwerden der Kinder. Der Wunsch, als Vater „die Zeit anzuhalten“ sei dabei wohl die Motivation gewesen. Kinder spielen inzwischen keine Rolle mehr, jetzt sei es eher der Alltag, verknüpft mit heiteren Aspekten – das Ganze lyrisch getragen. „Ich musste lernen, Pausen zu machen“, beschreibt der Hobby-Fußballer seine Entwicklung. „Früher bin ich oft vom Fahrrad abgestiegen, um mir spontan Notizen zu machen.“ Inzwischen sei er beim Schreiben doch sehr viel entspannter. Als gelungene „Gratwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Pointe“ lobte die Jury seine Texte. Man merkt, Lampe hat sichtlich Spaß beim Spiel mit den Worten und das Publikum hat Spaß an seinem Spiel – Wortwitz, Ironie, aber nie der Pointe willen und immer das eigentliche Thema vor Augen. „Meine Entschuldigung, die simse ich Dir, wenn Du über die Straße gehst, in Dein Displayraster, in der Hoffnung es kommt, wenn Du sie liest, ein Laster.“ Mit solchen Texten gewinnt man nicht nur die Herzen des Publikums, sondern auch ganz verdient den Titel des Lyrikmeisters! Was es sonst noch gab in der 13. Lyriknacht? Zehn weitere tolle Beiträge von Meistern des Wortes, für die der Platz leider mal wieder nicht reicht. Stimmungsvolle Pianomusik von Rainer Kählig, tolle Kostproben des Jurymitglieds Jörg Schieke und – auch das sei erwähnt – ein ausgesprochen gelungenes Bühnenbild. Weiter geht es auf literarischen Pfaden bereits am nächsten Freitag, wenn ab 19:30 Uhr im Literaturhaus die druckfrische Herbst-Ausgabe der Literaturzeitschrift Risse vorgestellt wird.
20. November 2010 | Weiterlesen
Rostocker Kunstpreis 2010 für Matthias Wegehaupt
Gestern Abend wurde in der Kunsthalle der Rostocker Kunstpreis verliehen. Mit seiner fünften Auflage dürfte der Preis mittlerweile fest in der Region etabliert sein. „Er wird zunehmend bekannter“, stellte zumindest Thomas Kühl von der Provinzial-Versicherung fest und belegte diesen Eindruck mit der ansteigenden Zahl von Einträgen im Internet. Na dann wollen wir mal einen weiteren hinzufügen. Seit 2006 wird der Rostocker Kunstpreis von der Kulturstiftung Rostock und der Hansestadt Rostock jedes Jahr für eine andere Ausdrucksform der bildenden Kunst ausgelobt. In diesem Jahr bewertete die siebenköpfige Jury die Arbeiten von fünf Malern. Sie wurden zuvor aus 64 Bewerbungen ausgewählt und vor gut einem Monat in der Rostocker Kunsthalle ausgestellt. „Der Kunstpreis wendet sich an Künstler aus Rostock und der Region. Wir wollen die Kunst fördern“, sagte Professor Dr. Wolfgang Methling, Vorsitzender der Rostocker Kulturstiftung. Das sei ein berechtigtes Anliegen, verteidigte er den regionalen Kunstpreis gegenüber Vorwürfen der Provinzialität. Biene Feld, Matthias Kanter, Ute Mohns, Mike Strauch und Matthias Wegehaupt waren die fünf Glücklichen, die es in die engere Auswahl geschafft hatten. Etwa 7000 Besucher haben ihre Werke seit Ausstellungsbeginn in der Kunsthalle gesehen. „Wenn es nach den Besuchern gegangen wäre, wäre jeder Erster geworden“, fasste Dr. Uwe Neumann von der Kunsthalle den großen Zuspruch zusammen. Und Dr. Ulrich Ptak erklärte, dass es für die Jury nicht einfach gewesen wäre, sich auf einen Gewinner festzulegen. Schließlich hat sie sich dann doch für den Maler entschieden, so Jury-Mitglied Ulrich Ptak, der bisher am kontinuierlichsten gearbeitet hat: Matthias Wegehaupt. Der 1938 in Berlin geborene Maler lebt in Ückeritz auf der Insel Usedom. In seiner Arbeit ließ er sich von der ihn umgebenden Landschaft inspirieren und überzeugte die Kunstpreisjury mit seinen „Schilfbildern“. Vor allem ihre Klarheit und die Entschiedenheit des Striches sowie die Sicherheit in Farbe und Form wurden in der Laudatio von Ulrich Ptak gelobt. „Er arbeitet nicht weggeträumt, sondern aufmerksam beobachtend, mit dialektischem Grundverständnis und hellwach“, zeigte er sich nach einem Besuch des Malers an dessen Wirkungsstätte beeindruckt. „Seine Arbeiten in verschiedenen Techniken sind einfach schön. Ein wenig kann man sich doch hineinträumen“, schwärmte der Laudator. Matthias Wegehaupt selbst zeigte sich in seinen Dankesworten angesichts der Ehrung betroffen. Es war ihm ein Anliegen zu betonen, dass Kunst kein Wettkampf sei. „Es hat mich einfach erwischt. In der Kunst geht jeder seinen Weg“, würdigte er auch die Leistungen seiner Mitbewerber. Neben 10.000 Euro Preisgeld, gestiftet von der Provinzial, kann sich der Maler nun auch über eine Ausstellung seiner Werke in der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommerns in Berlin freuen. Dass der Zuspruch für alle fünf Finalisten bei der diesjährigen Kunstpreisverleihung sehr hoch war, wurde nach der Bekanntgabe des Gewinners auch an den Reaktionen der Gäste deutlich. Helga Priester, selbst Landschaftsmalerin, zeigte sich etwas enttäuscht. Sie lehnte die Farbwahl in Matthias Wegehaupts Schilfbildern ab und bevorzugt generell eher gegenständliche Malerei. Ihr Favorit war Ute Mohns mit ihren Porträts und Blumensträußen. Auch Tim Kellner, der im letzten Jahr den Kunstpreis für seine Fotografien gewonnen hatte, hätte sich für einen anderen Maler entschieden. So zeigte er sich besonders von der fotografischen Qualität in den Malereien von Mike Strauch beeindruckt. Oder ist es doch eher eine malerische Qualität? Darüber diskutierten die beiden Künstler vor den Werken, die noch eine weitere Qualität auszeichnete: die dominierende Farbe grün. Klar, es geht um Natur. Natürliches im Gegensatz zum Synthetischen – das interessiert den Maler. Und hier wird doch der Einfluss von Bildern, die nicht aus der Malerei kommen, sondern durch die zeitgenössischen Medien vermitteln wird, thematisiert. Bilder, die an romantische Landschaften oder Blumen erinnern, werden mit Streifen und geometrischen Formen konfrontiert. Wer bisher noch nicht die Gelegenheit genutzt hat, die Arbeiten der fünf Finalisten des Rostocker Kunstpreises 2010 zu besichtigen, der kann dies noch bis zum 5. Dezember in der Kunsthalle nachholen.
20. November 2010 | Weiterlesen
Nobelpreisträger Richard R. Ernst an der Uni Rostock
Am 13. Oktober 1991 befindet sich Professor Richard R. Ernst gerade auf einem Interkontinentalflug in die USA, als man ihm die Nachricht überbringt, er habe gerade einen großen Preis gewonnen, und zwar nicht nur irgendeinen großen Preis, sondern den Nobelpreis. „Und meine Reaktion: Wow“, erinnert sich der 1933 in Winterthur in der Schweiz geborene Chemiker natürlich gerne an diesen Moment zurück. Er bezeichnet den Flug als seine dritte Schicksalsreise. Heute Nachmittag war er zu Gast im Audimax der Universität Rostock, um im Rahmen des JungChemikerForums einen Vortrag über „Die Interkulturelle Passion des Naturwissenschaftlers; Tibetische Malkunst, Pigmentanalyse und Wissensvermittlung an tibetische Mönche“ zu halten. „Es gibt nichts Schöneres, als in einer Veranstaltung aufzutreten, die ausschließlich von Studierenden organisiert wurde“, freute er sich zu Beginn über die Möglichkeit in Rostock sprechen zu dürfen. Und wie kommt man nun von der Chemie zu tibetischer Malerei? Und welches sind die ersten beiden Schicksalsreisen des Nobelpreisträgers? Doch der Reihe nach. Seinen ersten Kontakt mit der Chemie hatte Ernst, als er auf dem Speicher seines verstorbenen Onkels eine Kiste mit Chemikalien fand, die er mit in den Keller nahm und damit experimentierte. Die Leidenschaft für die Naturwissenschaft war geboren. Die logische Folge war ein Studium der Chemie an der ETH Zürich. „Es war stinklangweilig“, kommentiert er es im Nachhinein lapidar. Anschließend blieb er zunächst an der ETH, um im Bereich der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie) zu forschen. Stark vereinfacht ausgedrückt, werden dabei Magnetfelder im Molekül gemessen, wodurch das Molekül charakterisiert werden kann. Allerdings war es zu diesem Zeitpunkt sehr mühsam und sprichwörtlich nur im Schneckentempo möglich, diese Messungen durchzuführen. Die Technik war praktisch unbrauchbar, weshalb Ernst der Universität enttäuscht den Rücken kehrte. Frisch verheiratet ging er daraufhin mit seiner Frau 1963 in die USA, um im Silicon Valley bei der Firma Varian Associates zu arbeiten. Es sollte seine erste Schicksalsreise werden, denn dort gelang es ihm und seinen Kollegen, die NMR-Technik weiterzuentwickeln und schnellere Messungen zu ermöglichen. Plötzlich war es eine brauchbare Technik. „Dann war ich begeistert von der Wissenschaft und die Wissenschaft hat mich gepackt“, beschreibt er den entscheidenden Punkt in seiner Karriere als Naturwissenschaftler. 1968 sollte es dann über Asien zurück nach Europa gehen, die zweite Schicksalsreise, denn auf dieser Reise entdeckte Ernst seine Passion, die tibetische Malkunst und Kultur Zentralasiens. Besonders wichtig war es ihm, auch in seinem Vortrag zu betonen, wie wichtig eine persönliche Passion auf dem Weg zum Erfolg ist, damit man am Ende nicht einfach nur zu einem „Fachsimpel“ wird. „Auch Sie brauchen Passionen“, ermutigte er deshalb die jungen Wissenschaftler im Publikum und verwies auf eine Reihe erfolgreicher Menschen, wie Albert Einstein, der seine Geige hatte oder Helmut Schmitt, der nicht nur Kanzler war, sondern auch leidenschaftlich Piano spielte und nicht zuletzt natürlich Leonardo da Vinci, der Erfinder, Forscher und Künstler in einer Person vereinte. Für Ernst nicht allzu verwunderlich, da Wissenschaft und Kunst auf den gemeinsamen Nenner aus Neugierde und Kreativität kommen. Wieder in Zürich angekommen, machte er sich anschließend daran, die Molekularbiologie zu revolutionieren, indem es ihm und seinen Züricher Kollegen gelang, dreidimensionale Strukturen von Proteinen zu bestimmen. Seine Arbeiten stellten eine wichtige Grundlage für die spätere Entwicklung der Magnetresonanz-Tomographie dar, die aus den heutigen Krankenhäusern nicht mehr wegzudenken ist. Unterdessen vertiefte er zudem seine Kenntnisse in tibetischer Malkunst und befasste sich mit der Pigmentanalyse, um in der Lage zu sein, Gemälde instand zu halten. „Dazu muss ich wissen, wie man diese Bilder malt und wie man sie erhält“, beschreibt er seine Motivation. Mittels Ramanspektroskopie lassen sich die in den Bildern verwendeten Pigmente, wie Indigo oder Malachit, identifizieren und auch die Herkunft von Gemälden lässt sich anhand der verwendeten Pigmente lokalisieren. Dazu schießt man mit einem Laser auf das Bild, wodurch die Moleküle beginnen zu vibrieren. Diese Vibrationen werden gemessen und die Moleküle können dadurch identifiziert werden. Dem Gemälde wird dabei kein Schaden zugefügt, falls dies jemand bei der Erwähnung des Lasers befürchtet haben sollte. Darüber hinaus engagiert Ernst sich auch im Projekt Science meets Dharma, das tibetischen Mönchen naturwissenschaftliches Wissen vermitteln soll. Die Mönche lernen dabei, praktische Experimente durchzuführen, was ihnen aufgrund der theoretischen Ausrichtung ihrer Philosophie fremd ist. Der vom Dalai Lama initiierte interkulturelle Dialog hat nebenbei auch einen einfachen praktischen Nutzen, so lernen die Mönche beispielsweise, Wasser auf schädliche Verunreinigungen hin zu analysieren. Nach einer interessanten und mit viel Witz vorgetragenen Präsentation bestand im Anschluss noch die Möglichkeit, dem Nobelpreisträger bei einem Glas Sekt die eine oder andere Frage zu stellen oder sich womöglich Gedanken über die eigene Passion zu machen.
20. November 2010 | Weiterlesen
Rolf Lappert: „Auf den Inseln des letzten Lichts“
Die LiteraTour Nord führt durch Rostock und die zweite Station der Reise war Rolf Lappert. Der gebürtige Schweizer stellte am Dienstag seinen Roman „Auf den Inseln des letzten Lichts“ in der anderen buchhandlung vor. Doch bevor er lesen konnte, gab es auch für ihn die traditionelle Stadtführung von Literaturprofessor Lutz Hagestedt. Ich durfte die beiden begleiten. Der Weg führte uns zuerst ins Rathaus, einen Überblick über Rostock gewinnen. Dann folgte die Marienkirche, in der wir mithilfe der Astronomischen Uhr herausfanden, dass Rolf Lappert an einem Sonntag geboren wurde. Weiter führte der Weg zur Petrikirche, von der aus sich der Autor Rostock von oben anschauen konnte. Dann ein Mittagessen im Kartoffelhaus, ein Spaziergang am Hafen, ein Blick in die Zoologische Sammlung und der Rückweg zum Hotel. Schon bei der Führung gewann ich den Eindruck, dass Lappert ein sehr symphytischer Mensch ist, der sich jedoch jede Antwort genau überlegt. So machte er einen sehr besonnenen Eindruck, welcher sich auch auf der Lesung bestätigen sollte. Diese fand wieder in der anderen buchhandlung statt, da im Literaturhaus momentan umgebaut wird, wie Manfred Keiper, der Inhaber der Buchhandlung, berichtete. Ungefähr 100 Gäste waren gekommen, um Rolf Lappert lesen zu hören. In seinem aktuellen Roman steht das Geschwisterpaar Megan und Tobey O Flynn im Mittelpunkt. Tobey sucht seine Schwester und kommt so auf eine Insel, auf der scheinbar Primatenforschung betrieben wird. Jedoch entdeckt er mit der Zeit, dass die Insel einige Geheimnisse beherbergt. Das Buch schneidet dabei sehr viele Themenkomplexe an, den Verlust der Eltern, Vegetarismus, Drogen und andere, doch die Beziehung der Geschwister steht im Mittelpunkt. Eine Besonderheit des Romans ist sein Aufbau. Es gibt einen Prolog und einen Epilog, dazwischen wird erst Tobeys Zeit auf der Insel, dann seine Zeit in Irland und zuletzt werden noch Megans Erlebnisse dargestellt. So lösen sich anfängliche Rätsel erst gegen Ende und man bekommt einen ganz neuen Blickwinkel auf bestimmte Begebenheiten. Ansonsten war alles wie immer bei der LiteraTour Nord. Nach der einstündigen Lesung gab es ein Gespräch mit Literaturprofessor Lutz Hagestedt. Dieses Gespräch war zwar wieder sehr amüsant, jedoch wenig informativ. Hagestedt eröffnete mit der Frage, ob Lappert alleine lebt, was den Autor sichtlich überraschte: „So etwas wurde ich noch nie gefragt!“ Auch sonst war es diesmal hauptsächlich der Literaturwissenschaftler, der redete. „Ich will eigentlich gar nichts vom Autor wissen, ich bewundere ihn nur“, sagte er, um zu verdeutlichen, dass er die Moderation sehr anstrengend findet. Anschließend durfte das Publikum wieder Fragen stellen. So entlockte ein Gast dem Autor, dass er nur äußerst ungerne recherchiert. Zwar reise er viel, übertriebene Recherche vermeide er aber. „Jeder Autor sollte die Bücher schreiben, die er gern lesen würde“, sagte Lappert und sorgte so für ein gelungenes Schlusswort. Dann wurden wie immer noch zahlreiche Bücher gekauft und natürlich auch vom Autor signiert. Wie die Chancen für den Schweizer stehen, kann man jetzt noch nicht beurteilen. Vielleicht sind wir nach der nächsten Lesung etwas schlauer. Bestritten wird sie am 7. Dezember von Iris Hanika, wieder in der anderen buchhandlung.
19. November 2010 | Weiterlesen
Beatrice von Weizsäcker: Die Unvollendete
„Umfrageschock: Jeder vierte wünscht sich die Mauer zurück“, so titelte die Bild-Zeitung im März diesen Jahres. Anlass der Umfrage war der zweiteilige Sat 1 Spielfilm „Die Grenze“, der im Frühjahr ausgestrahlt wurde. Auch wenn die Umfragewerte sicherlich fragwürdig sind, so drückt sich darin doch aus, dass die innerdeutsche Einheit auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung von Ost und West zwar auf dem Papier, nicht aber in den Köpfen wirklich aller Bundesbürger abgeschlossen ist. Um das Thema „Deutsche Einheit“ geht es auch in Beatrice von Weizsäckers neuem Buch „Die Unvollendete“. Dieses stellte die Tochter des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am Donnerstagabend in der Universitätsbuchhandlung Weiland vor. Inhaltlich ist das Buch in die folgenden drei Teile gegliedert: Damals: Vereint! Verhöhnt? Heute: Vereint! Versöhnt? – Eine Spurensuche Morgen: Vereint! Versöhnt! Im Vorwort wird aber zunächst ein Vergleich mit den Südstaaten in den USA nach dem Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert angestellt. Auch über 100 Jahre später spüre man dort noch die Folgen der Abspaltung und anschließenden Wiedereingliederung in die Vereinigten Staaten von Amerika nach dem Kriegsende. Die Südstaatler mussten nicht nur die schmerzliche Niederlage verkraften, sondern fühlten sich auch aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche unterlegen. Bis in die 90er Jahre hinein blieb man Nordstaatlern gegenüber misstrauisch und hielt sie für arrogant. Nicht gerade ermutigende Aussichten! Im Folgenden wird deshalb der Frage nachgegangen, wie weit der Prozess der Vereinigung in Deutschland fortgeschritten ist und ob es sich tatsächlich um ein Volk handelt. Beispiele aus verschiedenen Bereichen wie Politik, Sport oder Kunst werden ausführlich erläutert, so auch die Ausstellung „60 Jahre, 60 Werke“. Diese ist alles andere als ein leuchtendes Beispiel von Einheit, im Gegenteil. Die Idee dahinter war es, zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes für jedes Jahr ein Werk eines Künstlers auszustellen. Allerdings wurde kein einziger Künstler ausgewählt, der vor 1989 in der DDR gelebt und gearbeitet hatte. Lediglich Künstler wie A. R. Penck, die lange vor dem Mauerfall in den Westen gegangen sind, wurden berücksichtigt. Die Begründung lautete, dass in einer Diktatur keine Kunst und Kultur gedeihen könne. Aber entstehen nicht gerade unter widrigen Umständen mitunter die besten Werke? Ein Schlag ins Gesicht in jedem Fall für jeden Künstler, der in der ehemaligen DDR aktiv war. Teilweise erweckte die Lesung trotz aller Notwendigkeit, den Finger auch einmal in die Wunde zu legen, dann doch den Eindruck, als ob die Autorin bewusst das Trennende sucht und es dem Verbindenden, Gemeinsamen vorzieht. Wodurch phasenweise der Eindruck entstehen konnte, dass irgendwie alles schlecht war seit der Wiedervereinigung. Positives? Fehlanzeige, von den Städtepartnerschaften wie beispielsweise zwischen Rostock und Bremen einmal abgesehen, aber die existierten ja auch vorher schon und sind nicht unbedingt ein Verdienst der Wiedervereinigung. Immerhin stellte Beatrice von Weizsäcker an das Ende ihrer Lesung ein positives, praktisches Beispiel, wie Versöhnung aussehen kann, und beruhigte damit auch etwas die Gemüter des einen oder anderen Zuhörers, die sich im Laufe des Abends zum Teil ein wenig erhitzt hatten. Dabei führte sie Uwe Holmer an, der es war, der Erich Honecker und dessen Frau in seiner eigenen Wohnung Asyl gewährte, nachdem diese durch das Ende der DDR obdachlos geworden waren. Und das, obwohl Holmer keine leichte Zeit in der DDR gehabt hatte. Dennoch war es für ihn selbstverständlich, dass er als Christ nicht beten könne „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ und dann anschließend nicht danach zu handeln. Ein ermutigendes Beispiel gelebter Versöhnung. Vielleicht ist es ja doch möglich auch in weniger als 100 Jahren vereint und versöhnt zu sein.
19. November 2010 | Weiterlesen
Zwei grüne Riesen für den Rostocker Weihnachtsmarkt
Bunte Kugeln und Lichterketten, Tannengrün und Schokoladenweihnachtsmänner – es ist nicht mehr zu übersehen: Die Weihnachtszeit rückt immer näher. Und zur Vorweihnachtszeit in unserer Hansestadt gehört natürlich der Rostocker Weihnachtsmarkt. Nächsten Donnerstag wird er wieder eröffnet. Schon heute haben zwei Stars des Weihnachtsmarktes ihren Platz eingenommen. Vor dem Kröpeliner Tor und dem Haus der Schifffahrt sollen zwei große Tannen bis kurz nach dem Weihnachtsfest die Passanten mit ihrer grünen Pracht erfreuen. Und es sind nicht irgendwelche Tannen. Es sollen die größten Weihnachtsbäume in Mecklenburg-Vorpommern sein. Sie ragen 22 und 23 Meter in die Höhe. So viel Pracht und Größe verdienen zu Recht einen Starauftritt. Ihre Ankunft am Morgen wurde demzufolge durch eine Polizeistreife eskortiert. Eine Stretchlimousine war für die beiden Stars allerdings viel zu klein. Da musste schon ein langer LKW her. Straßensperren sorgten für ausreichend Abstand. Eine kleine Pressemeute und eine Handvoll Schaulustiger schenkten ihrem ersten Weihnachtsmarktauftritt gebührende Aufmerksamkeit. Dieser war auch gleich einer von der waghalsigen Sorte, ein Drahtseilakt so zu sagen. Am Stamm nur mit einer langen Kette befestigt, wurden die Riesen, die über fünf Tonnen wiegen, von einem Kran aus der Waagerechten in die Senkrechte gehievt. Aber damit nicht genug der Spannung. Die größte Herausforderung bestand darin, den Stamm in das Loch zu bekommen. Vier starke Männer mussten mit anpacken. Augenmaß und Präzision waren hier gefragt. Doch der erste Versuch missglückte. Der Stamm war zu dick. Da musste die Motorsäge her. Unter ihrem Gekreisch verstummte das Ächzen der Bäume, denen nach und nach kleine Holzstücke abgesägt wurden. Schließlich passte alles. Die Bäume standen und wurden mit Seilen abgesichert. Fehlt nur noch das passende Outfit zum großen Auftritt auf einem Weihnachtsmarkt. Für Weihnachtsbäume sind das natürlich die Lichterketten. Die werden in den nächsten beiden Tagen angebracht. Damit erstrahlen die beiden selbst an grauen Wintertagen und bringen weihnachtliche Stimmung in die Stadt. Bis zum 28. Dezember – dann ist auch für sie der Weihnachtstraum zu Ende. Nein, sie werden nicht den Elefanten als Mahlzeit überlassen. Zu groß ist die Gefahr, dass die exotischen Rüsseltiere eine versehentlich hängen gebliebene Lichterkette verschlingen könnten. Stattdessen werden die Nadelbäume zu Kaminholz zerhackt und flammen ein letztes Mal auf, um für behagliche Gemütlichkeit zu sorgen. Das Schicksal der beiden grünen Riesen ist also besiegelt. Dabei hatten sie für Weihnachtsbaumverhältnisse ein eher ungewöhnliches Vorleben. Sie kommen nämlich nicht aus einem idyllischen Wald, sondern sind in der Stadt groß geworden. Bis vor Kurzem standen sie noch in der Kufsteiner Straße in Reutershagen, wo sie den Bewohnern aber zu groß geworden waren. Sie und jeder andere Weihnachtsmarktbesucher können nun in den nächsten Wochen bestaunen, was aus ihnen geworden ist.
19. November 2010 | Weiterlesen
Kultur in der Universitätsstadt Rostock
Was ist eigentlich Kultur? Es gibt keine allgemeingültige Definition für den Begriff. Die UNESCO bezeichnet Kultur als Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Der niederländische Wissenschaftler Fons Trompenaars definiert: „Ein Fisch spürt erst dann, dass er Wasser zum Leben braucht, wenn er nicht mehr darin schwimmt. Unsere Kultur ist für uns wie das Wasser für den Fisch. Wir leben und atmen durch sie.“ In einem sind sich die unterschiedlichen Definitionen von Kultur jedoch einig – darin, dass es sich um ein wichtiges Gut der Menschheit handelt. Und auch wenn Rostock manchmal auf dem Gebiet ein wenig hinterherhinkt, gibt es doch zweimal im Jahr Kultur konzentriert – in Form der Kulturwoche. Was viele jedoch nicht wissen, ist, dass es sich bei der Kulturwoche um eine Aktion der Studierendenschaft der Universität handelt. Darum hier auch erst noch mal ein kurzer Exkurs in Sachen studentische Selbstverwaltung. Einmal im Jahr wählen die 15000 StudentInnen der Hochschule ihre Vertretung, den StudentInnenrat, kurz StuRa, sozusagen das Parlament. Der StuRa wählt dann den Allgemeinen Studierendenausschuss, kurz AStA. Der AStA stellt die Regierung der StudentInnen dar. Er ist in einzelne Referate aufgeteilt, die sich mit den Belangen der Studenten beschäftigen. Nachdem der neue AStA gewählt wurde, stand der StuRa auf seinen letzten Sitzungen vor einer ersten großen Herausforderung – dem Haushalt für das nächste Jahr. Dabei merkte man aber auch schon auf der Sitzung, dass die Studierendenschaft ihre Außenwirkung verbessern will. Die Sitzung wurde öffentlich abgehalten und dies soll auch weiterhin passieren, um eine zeitnahe Berichterstattung zu ermöglichen. Die missliche Lage in der Haushaltsdebatte war, dass ein komplett ausgeglichener Haushalt hermusste. Mit den bisherigen fünf Euro, die jeder Studierende mit dem Semesterbeitrag zahlt, war dies nicht möglich. Daher wurde beschlossen, den Beitrag auf sieben Euro pro Semester zu erhöhen. Diese Entscheidung wurde jedoch nicht auf die leichte Schulter genommen. Zwei Sitzungen waren nötig, eine bis 3:50 Uhr nachts und eine bis 2:30 Uhr, um alle Bedenken und Unklarheiten soweit aus dem Weg zu räumen, dass Haushalt und Beitragsordnung beschlossen werden konnten. Ohne die Erhöhung bestand die Gefahr einer Haushaltssperre, durch welche die Studierendenvertretung fast handlungsunfähig gemacht worden wäre. Nur so können auch weiterhin studentische Medien und Interessen vertreten, soziale Belange diskutiert und Kultur gefördert werden. Für Letzteres ist im AStA in dieser Wahlperiode Kulturreferentin Caroline Heinzel zuständig. Die 21-Jährige studiert im fünften Semester Politikwissenschaft und Anglistik. Die Studentin findet das kulturelle Angebot der Stadt ausbaufähig. „Es wiederholt sich einfach zu oft oder ist für Studenten zu teuer.“ Darum will sie auch in ihrem Referat weiterhin Möglichkeiten schaffen, dass Studenten am kulturellen Leben der Stadt teilnehmen und es auch selbst aktiv mitgestalten. So ist zum Beispiel schon ein studentischer Kunst- und Handwerksmarkt geplant und auch Ausstellungen würde Caroline gern organisieren. Im Zentrum des kulturellen Lebens sieht sie aber auch weiterhin die Kulturwoche. Dabei ist diese natürlich auch ans Landeshochschulgesetz gebunden. Oberste Regel ist: „Von Studierenden, für Studierende und mit Studierenden.“ Und doch ist es wichtig, nicht nur Studenten als Publikum zu gewinnen. „Für mich ist die Kulturwoche eine Brücke zur Stadt. Die Studierendenschaft steht zwar im Zentrum, sie soll sich aber nicht abschotten“, sagt die Referentin. So seien auch externe Künstler wichtig, um den StudentInnen Möglichkeiten für Inspiration und Austausch zu geben. Außerdem wird durch die Kulturwoche auch die Außenwahrnehmung der Studierenden in Rostock gestärkt. Das bestätigt auch Erfinder und Organisator Daniel Karstädt. Der Student, der jedoch hauptsächlich eine kleine Veranstaltungsfirma leitet, war auch in diesem Jahr wieder sehr zufrieden mit den zwei Kulturwochen. Jetzt im Herbst waren wieder 12 von 15 Projekten ausverkauft. „Wir haben eine Auslastung von 90 Prozent und es gab nur positiven Rücklauf in diesem Jahr. Das Konzept ist voll aufgegangen“, sagt Karstädt. Die Kulturwoche war 1999 sein Einstiegsprojekt als Kulturreferent des AStAs. Die längste Tradition hat dabei die Südamerikanische Nacht, die mit 1500 Besuchern im Jahr 2001 auch noch den Besucherrekord hält. Das größte Gastspiel in der Hansestadt war im Jahr 2006 Kurt Krömer. 1200 Leute sahen seinen Auftritt in der Scandlines Arena. Doch gab es natürlich auch Rückschläge. „Mein größter Misserfolg war die Wahl zum Mr. und Ms. Rostock. Zwar wollten wir hauptsächlich universitäre Kategorien abfragen, jedoch wurde schon während der Planung der Widerstand zu groß, das Projekt sei zu sexistisch.“ Doch wie geht es jetzt weiter mit der Kulturwoche? Durch den geretteten Haushalt wird es auch weiterhin Gelder für die Kulturwoche geben. Diese wird öffentlich ausgeschrieben und dann wird vom StuRa entschieden, wer sie organisieren wird. Und natürlich wird sich auch Daniel Karstädt wieder bewerben und durch seine große Erfahrung hat er gute Chancen, wiedergewählt zu werden. Danach muss jedoch noch das genaue Konzept vorgelegt werden – alles Schritte, die viel Zeit kosten. Auch mangelt es laut Karstädt an der Unterstützung durch die Universitätsleitung und die Stadt. Zwar bezahlt die Universität 500 Euro für Werbung, doch gibt es kaum logistische Unterstützung. Von der Stadt gibt es gar keine Mittel und das, obwohl die Kulturwoche eins der kulturellen Aushängeschilder von Rostock ist. Egal, welche Definition für Kultur man anwendet, eins steht fest. Durch die Kulturwoche und die Kulturveranstaltungen der Studierendenschaft generell wurde der Kulturbegriff entstaubt. Und, um es mit den Worten von Daniel Karstädt zu sagen, muss man: „Einfach mal etwas Neues wagen und etwas Neues machen, um etwas Neues zu erleben!“
18. November 2010 | Weiterlesen
Bürgerforum zum Strukturkonzept für Warnemünde
Fast sechs Wochen sind es noch bis Heiligabend, für die Warnemünder hatte Rostocks Oberbürgermeister aber schon gestern die Geschenke im Gepäck. Die Straßen werden saniert, eine neue Sporthalle entsteht und die Mittelmole wird bebaut. Warum das alles? „Weil wir es uns finanziell leisten können“, erklärte Roland Methling selbstbewusst dem etwas verblüfften Publikum. Rund 200 Gäste hatten sich gestern Abend zum 1. Bürgerforum im Technologiezentrum Warnemünde (TZW) eingefunden. Thema war das „Strukturkonzept Warnemünde“, in dem eine städtebauliche Rahmenplanung für das Ostseebad bis zum Jahr 2025 erarbeitet wird. Die angespannte Situation bei den Sportanlagen schien vielen Warnemündern unter den Nägel zu brennen. Schon vor zwei Jahren hatte Methling bekundet, das Haus des Sportes und den Sportplatz am TZW verkaufen und dafür eine Sporthalle bauen zu wollen. Verständlich, dass einige Warnemünder den Worten aus der Stadtverwaltung nicht mehr viel Glauben schenken. Nun aber sollen Taten folgen. Noch in diesem Jahr wird mit dem ersten Kunstrasenplatz auf dem Sportplatz in der Parkstraße begonnen, der zweite folge 2011. Im Jahr 2012 könne die Sporthalle in die Haushaltsplanung aufgenommen werden und dann kann schon 2013, so Methling, „nicht irgendeine Sporthalle, sondern eine Dreifelderhalle mit Publikumsrängen hier in Warnemünde stehen.“ Ein Platz nicht nur für den Sport, sondern auch für die Kultur und als Saison verlängernde Maßnahme schwebt dem Stadtoberhaupt vor: „Es muss eine Halle sein, in der auch mal Roger Whittaker auftreten kann.“ Nightwish oder die Rolling Stones wären ihm zwar lieber, aber „dafür wäre die Halle dann doch zu klein.“ Bevorzugter Standort? Für Methling ganz klar die Mittelmole. Das sah nicht nur Warnemündes Ortsbeiratsvorsitzender Alexander Prechtel anders. Er plädierte dafür, den Sport an einem Standort, am Ende der Parkstraße, zu konzentrieren. Dort sollte auch die Sporthalle hin, schlug Prechtel vor. „Die Fläche an der Mittelmole ist viel zu wertvoll, um dort eine Sporthalle hinzubauen.“ Wohnbebauung auf der Mittelmole? Ja, so Prechtel, „aber in ganz, ganz eingeschränktem Maße.“ Benötigt werde Wohnraum, den junge Menschen bezahlen können. „Warnemünde darf nicht so alt werden, dass, wenn Roger Whittaker kommt, die Halle voll ist.“ Auf der Mittelmole wird das kaum der Fall sein. Er erinnerte an die Kurparkbebauung, wo kein belebtes Wohnen entstanden sei: „Das wollen wir auf der Mittelmole nicht.“ Prechtel wünscht sich für die Mittelmole eher etwas ‚Maritimes‘, was die Kreuzfahrtpassagiere hier hält, damit sie ihr Geld im Ort ausgeben. Kleines Gewerbe, Tourismus, Gastronomie, vielleicht auch etwas Beherbergung sollten hier nach Meinung des Ortsbeiratsvorsitzenden ihren Platz finden. Die Einwohnerzahlen in Warnemünde sind rückläufig, stellte Barbara Gentschow vom Wirtschaftsforschungsinstitut wimes die von ihr zusammengetragenen Daten vor. Diese bilden die Grundlage für die Entwicklung des Strukturkonzeptes. Lediglich die Gruppe der über 65-Jährigen wuchs von 2006 bis 2009 um knapp 11 Prozent. Dennoch gibt es in Warnemünde derzeit keinen Leerstand. Es existiere praktisch kein Wohnungsmarkt, erläuterte Gentschow, und somit gibt es auch keine Möglichkeit für einen Zuzug. Weniger Einwohner und dennoch kein Wohnraum? Thema Ferienwohnungen und Appartments: 176 Einheiten mit 545 Betten gibt es lt. offizieller Beherbergungsstatistik im Stadtbereich Warnemünde. 683 Einheiten mit 2049 Betten sind nicht in der Statistik enthalten und die Dunkelziffer dürfte noch viel größer sein. „Die Unterwanderung des Wohnbestandes durch Ferienwohnungen“ ist ein echtes Problem, bestätigte auch der Stadtplaner Dr. Andreas Pfadt. Zusammen mit seinem Kollegen Wolfgang Oehler vom Hamburger Büro Convent entwickelt er das Strukturkonzept fürs Ostseebad. Mittels Zweckentfremdungsverordnung könnte hier Einhalt geboten werden. Umkehren lässt sich dieser Prozess jedoch kaum. Neuer Wohnraum müsse daher geschaffen werden. Wo die Wohnungen entstehen könnten? Folgende Vorschläge präsentierten die Planer: Güterbahnhof (300 – 350 Wohnungen) Diedrichshagen (ca. 125 Einfamilien-/Doppelhäuser) Hohe Düne / Tonnenhof (ca. 100 Einfamilien-/Doppelhäuser) Mittelmole (100 – 250 Wohnungen) Gartenstraße/Wiesenweg (100 – 120 Einfamilien-/Doppelhäuser) Immer noch im Gespräch sei auch der Sportplatz in Markgrafenheide, der grundsätzlich durchaus geeignet wäre. „Eine ganze Menge Holz“, so Pfadt, „das wird noch 10, 15 Jahre dauern, bis das realisiert wird“, schließlich müsse der Wohnungsmarkt 500 bis 1000 zusätzliche Wohneinheiten auch erstmal aufnehmen. Ganz so einfach dürfte dies auch nicht werden, protestierten Kleingarten- und Garagenverein doch schon mal vorsorglich gegen die noch sehr vagen Pläne, auf ihren Arealen Wohnungen entstehen zu lassen. Was für Warnemünde im Beherbergungsbereich noch verträglich sei? Maximal 700 Betten, diese aber auch nur im 1- bis 3-Sterne-Bereich oder ganz ohne Klassifizierung. Mit dem geplanten Umbau des Samoa-Bades sei dies bereits ausgeschöpft. „Was ist denn mit dem zweiten Bettenhaus des Neptun-Hotels?“, lautete der Einwand von Alexander Prechtel. „Das ist 4- und 5-Sterne (wenn vielleicht auch nicht auf dem Papier). Zudem noch ein großer Klopper, den wir alle nicht wollen.“ Auch im Bereich der Verkaufsflächen sehen die Hamburger Planer nicht mehr viel Luft nach oben. Bis 2020 bestehe maximal ein Bedarf von zusätzlichen 1000 Quadratmetern. Ohne Bäderregelung sei sogar ein Rückgang der Verkaufsfläche möglich. Was aus den kleinen, oft unzweckmäßig geschnittenen Geschäften vor allem in der B-Lage wohl werde, wenn diese neuen Flächen als direkte Konkurrenz auf der Mittelmole entstehen, fragten die anwesenden Geschäftsleute. Vier bis fünf Millionen zusätzlich benötigter Umsatz kämen ja nicht einfach so. Hier prallen doch noch sehr unterschiedliche Vorstellungen aufeinander – Traditionen und maritimes Flair bewahren und sich gleichzeitig modern zu entwickeln – kein einfacher Spagat. Wer sich für weitere Details des Strukturkonzeptes interessiert oder eigene Ideen einbringen möchte, kann sich per E-Mail an das Amt für Stadtplanung wenden. Das Projekt befinde sich noch in einer sehr frühen Phase, es ist immer noch lediglich ein Diskussionspapier, betonte Ralph Müller, Leiter der Stadtplanung. Im Frühjahr soll das Konzept der Bürgerschaft vorgelegt werden. Bis dahin können sich die Einwohner noch einbringen und es werde vorher auch noch ein weiteres Bürgerforum geben, versprach Müller. Bei all den guten Vorsätzen und Projekten bleibt zu hoffen, dass die Einnahmen und Ausgaben in den kommenden Jahren trotz Altschuldenabbau tatsächlich einen Überschuss in der erhofften Höhe von 10 Millionen in der Stadtkasse lassen. Mindestens, denn gefühlt scheint jeder einzelne dieser Euros bereits dreifach verplant zu sein.
16. November 2010 | Weiterlesen
Der Club der toten Dichter zu Gast im Moya
Wer am letzten Freitag auf eine Vorführung vom „Club der toten Dichter“ mit Robin Williams gehofft hatte, wurde sicherlich enttäuscht. Denn im Moya gab es keinen Film zu sehen, sondern ein Konzert zu hören. Im Jahr 2005 wurde das Projekt von Reinhardt Repke gegründet. In wechselnder Besetzung gab es seitdem drei CDs mit den dazugehörigen Touren. Das Besondere am Club der toten Dichter ist, dass nicht irgendwelche Songs aufgeführt werden, sondern immer ein Autor zugrunde liegt. Bei der ersten Tour wurden die Gedichte von Heinrich Heine zu Liedern verarbeitet, dann folgte eine Tour mit Texten von Wilhelm Busch und zurzeit gibt es Lyrik von Rainer Maria Rilke im neuen Gewand zu hören. Dabei schreibt Bandleader Repke alle Songs selbst und auch die dazugehörigen Arrangements. Im nächsten Schritt sucht er sich die passenden Musiker zusammen und dann wird die CD aufgenommen. 17 Songs sind für die dritte Auflage herausgekommen – live werden natürlich noch ein paar Lieder mehr zum Besten gegeben. Von der Qualität und dem besonderen Flair der Darbietung wollten sich am vergangenen Freitag ungefähr 200 Gäste im Rahmen der Kulturwoche selbst überzeugen. Die aktuelle Besetzung der Band besteht aus Markus Runzheimer am Bass, Andreas „Spatz“ Sperling, den man vielleicht von der Gruppe Keimzeit kennt, an den Keyboards und Tim Lorenz von den Rainbirds am Schlagzeug. Neben Reinhardt Repke selbst ist noch Katharina Franck, ebenfalls von den Rainbirds, für den Gesang zuständig. Sie spielt auch Gitarre und Percussioninstrumente während des Auftritts. Stimme und das Gefühl, mit dem Katharina Franck performte, sorgten für Gänsehautmomente im Publikum. Repke berichtete, dass die Künstlerin bei den Aufnahmen mit einer solchen Hingabe dabei war, dass sie sich selbst in Tränen sang. Die Stücke variierten von typischen Liebesliedern, über Gedichtklassiker, wie Herbsttag, das laut einer Internetseite das bekannteste Rilkegedicht sei, bis hin zu Texten wie Opfer, die selbst Repke nach eigener Aussage nicht wirklich versteht. Aber darum geht es ihm auch nicht. „Es geht mir nicht um Erklärungen, sondern um die Wirkung“, sagt er. Die Wirkung verlor jedoch etwas an Intensität, da man zeitweise den Text kaum verstehen konnte. Gerade bei etwas beschwingteren Liedern waren die Instrumente teils sehr dominant. Aber dies ist nur eine kleine Kritik und die Standing Ovations und die beiden Zugaben am Ende des Konzertes belegen eindrucksvoll, dass es den Leuten sehr gut gefallen hat. Unter den Gästen war auch Günter Stiewe. Obwohl er sonst gar nicht so der Musikfan ist, fand er es „ganz klasse!“ Er hat sich auch gleich CD und DVD des Clubs gekauft und sich von den Musikern signieren lassen. Für ihn ist die Kulturwoche das kulturelle Highlight der Stadt Rostock. „Ich habe nur zwei Veranstaltungen ausgelassen, alle anderen habe ich mit Freuden besucht.“ Auch die Organisation und das Engagement begeistern den 63-Jährigen. „Durch die Kulturwoche kann bekommt man ein richtig gutes Bild von der Jugend.“ Wie es weitergeht mit der Kulturwoche entscheidet sich im Laufe der Woche, die Zukunft des Moyas ist jedoch schon besiegelt. Im Januar wird der Club aufgrund eines auslaufenden Mietvertrags geschlossen. Eine neue Location wird schon gesucht, konnte bisher aber noch nicht gefunden werden.
16. November 2010 | Weiterlesen
Das Theater am Ring präsentiert „Hamlet“
„Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage“ – an diese großen Dichterworte hat sich jetzt auch das Theater am Ring gewagt. Am Wochenende feiert seine Version von Shakespeares Hamlet an der Bühne 602 Premiere. Die Tragödie vom dänischen Prinzen, der den Mord seines Vaters aufklären will, ist nicht das erste Stück des berühmten englischen Dramatikers und Dichters, welches von der freien Theatergruppe inszeniert wird. In den letzten 20 Jahren, so lange gibt es das Theater am Ring schon, brachte sie bereits Shakespeares „Romeo und Julia“ und „Was ihr wollt“ auf die Bühne. Für das nächste Jahr ist die Komödie „Ein Sommernachtstraum“ geplant. Und auch der Hamlet ist nicht wirklich neu. Bereits vor einigen Jahren beschäftigte sich das Theater am Ring im „Hamletsyndrom“ mit dem klassischen Stoff und versetzte ihn in unsere Zeit. Dennoch ist das Theater am Ring keine Rostocker Shakespeare Company, denn auch andere Stücke befinden sich in seinem Repertoire, vor allem viele klassische. „Wir wollen, dass junge Leute an Klassiker herangeführt werden“, erklärt Ensemblemitglied Karsten Schuldt die Auswahl. „Als Lehrer merkt man, wie wenig Interesse da ist, sich mit Theaterstücken oder überhaupt mit Literatur auseinanderzusetzen,“ bedauert der 27-Jährige. Dass der Name der alten Theaterstücke schon etwas Staub angesetzt haben könnte, schreckt den Laiendarsteller, der auch einen Jugendtheaterclub am Volkstheater leitet, nicht ab: „Wenn man sich Klassiker vornimmt und sie vielleicht auch selbst ein wenig modernisiert, kann man viel rausholen und zeigen, wie modern das Alte sein kann.“ Die aktuelle Inszenierung des Hamlets sei eher klassisch und nah am Text. „Wir versuchen die teils düstere Stimmung von Hamlet darzustellen und trotzdem das Stück mit ein wenig Humor und Unterhaltung zu würzen,“ kündigt Karsten Schuldt an, der selbst die Rolle des Claudius‘ übernommen hat. Hamletinszenierungen gab es, seit die Tragödie 1602 erschienen ist, ja schon viele. Der ein oder andere hat das Stück vielleicht auch schon einmal auf der Bühne oder im Film gesehen. Trotzdem beansprucht auch die Rostocker 2010-Version Einzigartigkeit für sich. „Wir versuchen den klassischen Text auf unsere Art auszulegen und gerade nicht nachzumachen, was in anderen Inszenierungen schon war,“ macht Karsten Schuldt neugierig. „Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, die das Publikum mit in die Szenerie hineinzieht. Es soll verstehen, warum Hamlet so verrückt wird.“ Mehr als zwanzig Personen – Studenten, Auszubildende und junge Berufstätige – sind auf und neben der Bühne an der Inszenierung beteiligt. Mit zwei Besetzungen haben sie sich in den letzten beiden Monaten auf die Premiere von Hamlet am Wochenende vorbereitet. Jeweils am 20. und 22. November führen sie die Tragödie zum ersten Mal auf. Beide Vorstellungen beginnen um 20 Uhr an der Bühne 602. Ein weiteres Mal ist Hamlet dort am 4. Dezember zu sehen. In der Aula des Erasmusgymnasiums in Lütten Klein wird es am 3. und 10. Dezember jeweils um 19 Uhr Aufführungen geben.
16. November 2010 | Weiterlesen
Volkstheater-Geschäftsführer Kay-Uwe Nissen entlassen
In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung wurde heute der kaufmännische Geschäftsführer der Volkstheater Rostock GmbH Kay-Uwe Nissen aus seiner Position abberufen und von Oberbürgermeister Roland Methling fristlos gekündigt. Zuvor hatte sich die Mehrheit der Mitglieder des Hauptausschusses der Bürgerschaft der entsprechenden Empfehlung des Aufsichtsrates angeschlossen. Sieben Ausschussmitglieder stimmten für die Abberufung, vier enthielten sich. Das Volkstheater steht vor einem Finanzloch in siebenstelliger Höhe, Nissen wird dafür ebenso wie für die fehlende Information des Aufsichtsrats verantwortlich gemacht. So soll bis heute kein Wirtschaftsplan vorliegen. Ob dies tatsächlich so ist und ob eine fristlose Kündigung angemessen ist, dürfte wohl ein Fall fürs Arbeitsgericht werden. „Wir werden in Zukunft ohne Herrn Nissen in diesem Bereich tätig sein“, gab Roland Methling nach der Sitzung des Hauptausschusses bekannt. „Den Kurs, den das Volkstheater Rostock seit gut zwei Jahren fährt, nämlich mit ordentlichen künstlerischen Leistungen, auch überregional in ganz Mecklenburg-Vorpommern und auf der anderen Seite der Ostsee in Gedser wahrgenommen zu werden, diesen Kurs wollen wir fortsetzen“, erklärte der Oberbürgermeister. Unterstützung im kaufmännischen Bereich soll die Volkstheater Rostock GmbH übergangsweise durch die ebenfalls städtische Rostocker Versorgungs- und Verkehrsholding GmbH (RVV) erhalten. In der kommenden Woche sind Gespräche mit RVV-Vorstand Jochen Bruhn geplant.
15. November 2010 | Weiterlesen
Vernissage zur Kunstbörse 2010 in der HMT
Ihr mögt zeitgenössische Kunst und denkt eventuell sogar darüber nach, ein Kunstwerk zu erwerben? Dann lohnt es sich für Euch womöglich, an der mittlerweile 18. Auflage der Rostocker Kunstbörse teilzunehmen, die von der Ostsee-Zeitung und dem Kunstverein zu Rostock am 4. Dezember in der Hochschule für Musik und Theater veranstaltet wird. Da man natürlich nicht die Katze im Sack kaufen und sich vielleicht auch im Vorfeld schon einmal Gedanken darüber machen möchte, welches Werk denn nun am besten ins heimische Wohnzimmer passen würde, kann man ab sofort einen Blick auf die zum Verkauf stehenden Originale werfen. Die Ausstellung wurde am heutigen Abend im Foyer der Hochschule für Musik und Theater (HMT) offiziell eröffnet. Sie zeigt die Werke von dreizehn Künstler aus Mecklenburg-Vorpommern, die an der Versteigerung teilnehmen. Bei einer solchen Vielzahl von Künstlern, ist die Palette an Kunst entsprechend breit, so dass für fast jeden etwas dabei sein sollte. Egal ob Acryl auf Leinwand, Öl auf Holz, Marmorskulpturen, Fotografien, Aquarelle oder Keramiken, eine sehr große Vielfalt an Techniken wird von den teilweise jungen sowie teilweise bereits etablierten Künstlern genutzt. „Ich finde es nach wie vor spannend zu beobachten, wie reich und vielfältig die Szene hierzulande doch ist“, kann sich Jan Peter Schröder von der Ostsee-Zeitung auch nach fünfzehn Jahren Mitarbeit an der Kunstbörse immer noch begeistern. Stolze 750 Arbeiten von 234 Künstlern wurden seit 1993 in diesem Rahmen bereits vorgestellt und versteigert. Ein Ende der Erfolgsstory ist nicht in Sicht. „Nicht zuletzt geht es der Kunstbörse auch darum, die Künstler dieses Landes bekannt zu machen“, brachte Frank Ivemeyer, der Kanzler der HMT, das Anliegen der Kunstbörse auf den Punkt. Ein berechtigtes Anliegen, denn „Künstler können eine Stadt adeln“, wie Wolfgang Friedrich, Vorsitzender des Kunstvereins zu Rostock, weiß. Einige der Künstler waren auch bei der Vernissage selbst anwesend, etwa die Maler und Grafiker Bernhard Schrock und Elisabeth Pohl. Auch der Fotograf Ulrich Rudolph weilte unter den Gästen. Eigentlich wollte der studierte Kunstwissenschaftler nach eigener Aussage nie selbst Künstler werden, umso mehr überraschte ihn die Anfrage, ob er an der Kunstbörse teilnehmen wolle. „Welcher Künstler bekommt schon solche Publicity“, freute er sich natürlich über die Möglichkeit, seine Werke einem breiten Publikum vorzustellen. Bei seinen Bildern verwendet Rudolph Motive, die den Anschein erwecken, von Menschen gestaltet oder gemalt worden zu sein. Durch die Verfremdung der Realität entsteht Spannung in seinen Arbeiten, da dem Betrachter eine Menge Interpretationsspielraum gegeben wird. Aufgrund der Vielfalt der unterschiedlichen Arbeiten, kann an dieser Stelle unmöglich auf alle Werke eingegangen werden. Am besten macht Ihr Euch vor Ort einfach selbst ein Bild. „Was sammelt eigentlich der Bürgermeister?“ Diese Frage stellte Wolfgang Friedrich am Ende seiner Begrüßungsworte in den Raum und forderte Oberbürgermeister Roland Methling damit indirekt zum Mitbieten am 4. Dezember auf. Und wie steht es bei Euch? Was sammelt Ihr eigentlich?
15. November 2010 | Weiterlesen
Stadtbibliothek nach Renovierung wieder geöffnet
Endlich ist die Hauptstelle der Stadtbibliothek wieder geöffnet. Vier Wochen war sie geschlossen. Was sich in der Zeit getan hat, offenbart sich den Besuchern sofort nach Eintritt in das historische Giebelhaus in der Kröpeliner Straße. Ein frischer Wandanstrich und neu verlegter Teppich verleihen zumindest der unteren der drei Etagen der Bibliothek neuen Glanz. „Wir wollten, dass es warm, hell und freundlich wird“, sagte Hannelore Abromeit, Leiterin der Zentralbibliothek bei der Wiedereröffnung am Montag. Das dürfte wohl gelungen sein. Die Farbe Rosa an den Wänden strahlt Wärme aus. Die Leuchtkraft der neuen Lampen wurde fast verdoppelt und entspricht jetzt mit 500 Lux auch den Anforderungen an eine Bibliothek. Ja und auf die freundliche Wirkung haben nicht zuletzt auch die Mitarbeiter der Einrichtung maßgeblichen Einfluss. Deren gute Stimmung dürfte zukünftig jedenfalls nicht mehr all zu oft durch körperliche Verspannung beeinträchtigt sein, denn höhenverstellbare Tische sorgen für einen ergonomisch optimierten Arbeitsplatz. Mit einem einfachen Knopfdruck lässt sich die neue Verbuchungstheke im Eingangsbereich an die individuelle Körpergröße anpassen. Davon überzeugte sich auch Henry Tesch, Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Er war gegen Mittag zu einer kurzen Stippvisite vorbeigekommen und hatte auch gleich noch einen Fördermittelbescheid für die Rostocker Stadtbibliothek mitgebracht. 8.640 Euro stellt die Landesregierung für ein E-Learning-Projekt zur Verfügung. Ab Mitte Dezember können sich die Bibliotheksnutzer elektronische Kurse ausleihen, die sie dann am heimischen Computer mit Internetzugang selbst abrufen. Außerdem soll es für die Lerner die Möglichkeit geben, sich in den Räumlichkeiten der Bibliothek zu treffen, um sich im persönlichen Gespräch auszutauschen. „Die Verknüpfung von persönlicher Kontaktaufnahme, Bibliothek und Elektronik, darin sehen wir die Zukunft“, so der Direktor der Stadtbibliothek Manfred Heckmann. Zunächst werden verschiedene Sprachkurse und Kurse zur Datenverarbeitung angeboten. Später soll das Angebot auch mit anderen Inhalten erweitert werden. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der beruflichen Weiterbildung. Gespräche mit dem Arbeitgeberverband hätten bereits stattgefunden. „Wir würden uns freuen, wenn diese Zusatzangebote entsprechend angenommen werden“, sieht auch die Rostocker Senatorin Dr. Liane Melzer in dem E-Learning-Projekt eine Chance für die städtische Wirtschaft.
15. November 2010 | Weiterlesen
Denis Scheck: Druckfrisch in der Buchhandlung Weiland
Was man für einen gelungenen Sonntagabend benötigt? Nicht viel: einen Mann, einen Koffer voller Bücher und ein trockenes Plätzchen. Zumindest, wenn der Mann Denis Scheck heißt und – wie man es von ihm gewohnt ist – eine bunte Auswahl zeitgenössischer Literatur in seinem Reisegepäck dabei hat. Wer den Literaturredakteur und Moderator der ARD-Sendung „druckfrisch“ kennt, weiß, dass dieser auch gern mal vor dem einen oder anderen literarischen Sondermüll warnt. Und so begann Denis Scheck den Abend mit Büchern, die die Welt nicht braucht. Bücher aus dem „Doofel“-Regal, wie sie den Giftschrank in Gedenken an „Moppel-Ich“ & Co. zärtlich nennen. Der Höhepunkt des Schwachsinns ist für den Kritiker bei Werken wie Peter Hahnes „Schluss mit lustig!: Das Ende der Spaßgesellschaft“ erreicht. Nicht etwa, weil Hahne beim ZDF arbeite oder politisch woanders stehe als er selbst, sondern weil Hahne seine Gegner mit sprachkritischen Argumenten angreife. Wer das tut, dem sollten keine Sätze unterlaufen, wie „Jetzt bezahlen wir die Quittung.“ Im Deutschen bezahlen wir schließlich immer noch die Rechnung. Und nein, „Menschen flogen durch die Luft wie Vögel“ sei keine treffende Beschreibung für die Ereignisse des 11. Septembers 2001. Das Problem ist doch vielmehr, dass wir eben nicht wie Vögel fliegen können. Sachbücher, die alle nach derselben Jahrmarktsformel „Nüchtern durch mehr Saufen“ gestrickt sind, haben es ihm besonders angetan. Überhaupt könne man den Deutschen zwischen zwei Sachbuchtextdeckeln scheinbar jeden noch so großen Bären aufbinden. „Stellen Sie sich vor: Es ist Frühjahr 1945, Sie sind Eva Braun und Sie lesen gerade ‚Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest‘. – Nein, es ist nicht egal, wen Sie heiraten!“ Für Scheck nach wie vor nicht zu toppen, ist aber „The Secret“ von Rhonda Byrne. Wenn man etwas ganz fest haben oder sein möchte, muss man sich einfach nur vorstellen, dass man es schon hätte oder sei – schon würde es einem zufallen. So laute – stark vereinfacht zumindest – das Urgesetz unserer Existenz, das Byrne beschreibt. „Ich wache jeden Morgen auf und stelle mir ganz fest vor, dass ich ein ranker, schlanker Jüngling mit lockigem Haar und eng anliegenden Ohren bin – Sie sehen, es funktioniert!“ Doch nun zu den Empfehlungen des Abends oder zumindest einem ganz kleinen Teil davon. Warum Denis Scheck lieber badet als duscht? Richtig, ein Buch mit unter die Dusche zu nehmen, wäre in der Tat eine schlechte Idee. Zumindest die ersten und letzten zehn Minuten eines Tages möchte er ganz für sich haben, da möchte er etwas lesen. Was dafür am besten geeignet ist? Märchen. „Ich lese schrecklich gern Märchen“, bekennt Scheck. Als Beispiel gab er das russische Märchen „Die endlose Geschichte vom Storch und von der Rohrdommel“ zum Besten. Knappe fünf Minuten – so viel Zeit sollte wirklich jeder für Literatur übrig haben. Kann man sich doch nicht nur um Dosenpfand und Mehrwertsteuer Gedanken machen, so Scheck. „Ich muss und möchte aus meiner Haut fahren und in das Gefieder einer Rohrdommel mit Heiratssorgen.“ Das schönste Geschenk, das man sich machen kann, seien die von Nikolaus Heidelbach fantastisch illustrierten Märchensammlungen. Nach den Gebrüdern Grimm und Hans Christian Andersen hat der Illustrator nun die von Hans-Joachim Gelberg zusammengetragenen „Märchen aus aller Welt“ gestaltet. Vampirromane? Gab es gestern auch. „Die Radleys“ von Matt Haig wären auf jeden Fall einen Blick wert, so Scheck. Eine Vampirfamilie, die in Südengland lebt und ein wenig anders ist, leben sie doch abstinent, sind also die Vegetarier unter den Vampiren. Das geht gut, bis der in dieser Tradition erzogenen Tochter der Familie eines Tages eine Leiche zu Füßen liegt … „Solar“ von Ian McEwan, „Freiheit“ von Jonathan Franzen und „JR“ von William Gaddis seien an dieser Stelle erwähnt, um drei weitere Tipps im Schnelldurchlauf abzuhandeln. Wie die Welt in 100 Jahren aussieht? Eine interessante Frage. Noch interessanter, wenn diese Frage 1910 gestellt wurde und wir jetzt, 100 Jahre später, lesen können, wie unsere Vorfahren sich unsere Gegenwart vorgestellt haben. 1910 hat der Journalist Arthur Bremer in „Die Welt in 100 Jahren“ Prognosen über die Zukunft zusammengestellt – geschrieben von Experten verschiedener Bereiche. Dass Handys bereits 1928 bekannt waren, wissen wir ja, seit kürzlich eine telefonierende Zeitreisende im Charlie-Chaplin-Film „The Circus“ entdeckt wurde. Vorausgesagt wurde diese Erfindung aber mindestens schon 18 Jahre vorher und auch sonst gibt es einige erstaunliche Voraussagen – lesenswert! Wer denkt, dass ein Literaturkritiker nichts für Comics übrig hätte, hat sich getäuscht. Gleich mehrere Empfehlungen hatte Denis Scheck im Gepäck. „Blotch – der König von Paris“ lebt Mitte und Ende der dreißiger Jahre in Paris und verkörpert die Werte und Tugenden des wahren französischen Geistes. Im Dienste der fiktiven Satirezeitschrift „Fluide Glacial“ hat er Umgang mit Künstlern wie Picasso oder Dali, verkennt aber alle. Er ist Künstler oder hält sich zumindest dafür, ist aber eigentlich das „Ressentiment auf zwei Beinen“. Blotch verkörpert die miesesten Vorurteile seiner Zeit. Für Scheck eine der ganz großen Künstlersatiren, die zeigen, dass man „Künstler sein kann und dennoch ein mieses, borniertes Arschloch.“ Ralf König („Der bewegte Mann“) hat nach der schwulen Kultur ein neues Themenfeld für sich entdeckt: die Religion. Nach der Schöpfungsgeschichte („Prototyp“), Noah und der Sintflut („Archetyp“) schließt er nun in „Antityp“ seine Religionstrilogie ab – mit dem Heilgen Paulus, der gleich zu Beginn vom Pferd und auf den Kopf gefallen ist und sich nun Saulus nennt. „Es ist wahnsinnig unfair, es ist blasphemisch, es ist antichristlich und es ist das Lustigste, Unterhaltsamste und schlichtweg Klügste und Überfälligste, was man zwischen zwei Buchdeckeln nur lesen kann“, lautet das Fazit von Scheck. Bereits zum vierten Mal luden die Universitätsbuchhandlung Weiland und das Literaturhaus Rostock zu „Druckfrisch“ ein. „Sie waren im Vorverkauf so zögerlich“, freute sich Filialleiter Florian Rieger über den großen Zuspruch, „dass wir uns gar nicht getraut haben, mehr als 100 Stühle aufzustellen.“ 120 Gäste kamen gestern, vor vier Jahren waren es noch 40. Beachtliche 54 Titel umfasst die aktuelle Bücherliste von Denis Scheck. Wer den „Literaturkritiker aus Leidenschaft“ verpasst hat, findet in dieser Woche bei Weiland einen Büchertisch mit seinen Empfehlungen. Wobei man sich jedoch von niemandem einreden lassen solle, was man unbedingt zu lesen hätte. „Sie sind mündige Leser“, gab Denis Scheck den Zuhörern zum Abschluss mit auf den Weg, „vertrauen Sie auf Ihren eigenen gesunden Menschenverstand.“ Von den 90.000 Neuerscheinungen des Jahres würden dann gar nicht mehr so viele übrig bleiben.
15. November 2010 | Weiterlesen
2. Landesfachtagung „Kultur von Anfang an“
Nicht aus jedem kleinen Geiger wird einmal ein Mozart. Dennoch lohnt es sich, bei jedem Kind musisch-ästhetische Interessen zu fördern. Denn Tanzen, Musizieren, Lesen, Malen oder Filmen machen nicht nur Spaß, sondern haben auch noch einen anderen positiven Nebeneffekt: Die Beschäftigung mit den verschiedenen Kunstformen trägt auf vielfältige Weise zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Da das Kindes- und Jugendalter besonders prägend ist, sollte kulturelle Bildung in dieser Lebensphase deshalb einen hohen Stellenwert genießen. Dafür setzen sich zumindest zahlreiche Pädagogen und Künstler im Land ein. Doch „oft macht jeder nur seins“, bemängelte Dr. Klaus-Michael Körner. Angesichts finanziell schwieriger Zeiten und bevorstehender Wahlen sei es daher wichtig, die Akteure von Bildung und Kultur zusammenzubringen, um klare, abgestimmte Vorstellungen zu haben, so der Sprecher des landesweiten Netzwerkes Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (KKJB). Um dafür einen Dialog anzustoßen, hatte das Netzwerk KKJB unter dem Dach der POPkw am Samstag zur 2.Landesfachtagung „Kultur von Anfang an“ eingeladen. „Es geht uns darum, dass wir Kindern helfen, zu selbstständigen Persönlichkeiten heranzureifen“, sagte Ministerpräsident Erwin Sellering. Das sei nicht nur eine Frage der liebevollen Zuwendung für jedes Kind, sondern auch der Chancengleichheit und sozialen Gerechtigkeit und „es ist in Zeiten ökonomisierten Denkens eine Frage der ökonomischen Notwenigkeit. Wir brauchen kreative, tüchtige Menschen“, unterstrich Erwin Sellering auch die gesellschaftliche Dimension musisch-ästhetischer Erziehung. Doch nicht jedes Kind hat die gleichen Chancen an kultureller Bildung teilzuhaben. Oft entscheidet der Geldbeutel der Eltern darüber, ob sich ein Kind die Gebühren für den Musikschulunterricht, die Malfarben oder die Fahrt zur Bibliothek leisten kann. Für Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff gehört kulturelle Bildung jedoch zur Allgemeinbildung und ist damit Pflichtaufgabe des Staates. „Jedes Kind in unserem Land soll mit jeder Kunstform in Berührung kommen“, so sein ehrgeiziges Ziel. In seiner Amtszeit hatte er als Staatssekretär für Kultur in Nordrhein-Westfalen erfolgreich das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi) auf den Weg gebracht. Auch in Rostock hat JeKi schon Schule gemacht. Durch großzügige Spenden können im Osten der Stadt inzwischen 120 Grundschulkinder auf einem Instrument musizieren, informierte die Rostocker Kultur- und Jugendsenatorin Dr. Liane Melzer bei einer Podiumsdiskussion der Tagung. Auch die Landessozialministerin Manuela Schwesig war zu der Tagung gekommen, um für ihre Vorschläge zur Sicherstellung der Chancengleichheit bei der kulturellen Bildung zu werben. Als Alternative zur Ankündigung der Bundesministerin Ursula von der Leyen, eine Bildungschipkarte bzw. Gutscheine einzuführen, die Kindern aus Hartz IV Familien zugutekommen sollen, setzt sie sich für einen Bildungsfonds ein. Nach Lübecker Vorbild soll damit die finanzielle Förderung über eine pädagogische Einrichtung zum Kind gelangen. In einem Forum zur kulturellen Bildung für Kinder in Kita und Grundschulen erntete sie dafür viel Zustimmung. Denn in diesem Modell sahen viele Vertreter von Kinder- und Bildungseinrichtungen einen Lösungsansatz, um auch Kooperationen beider Seiten besser zu organisieren und eine qualitativ hochwertige kulturelle Bildungsarbeit in den Alltag der Kinder einzubetten. Dem Zusammenschluss der pädagogischen und künstlerischen Kompetenzen zu einem Tandem, wie es zum Beispiel Simone Briese vom Landesverband der Jugendkunstschulen M-V, befürwortet, stehen oft neben Fragen der Finanzierung auch organisatorische Probleme im Wege. So hat der Ausbau von Ganztagsbetreuungsangeboten in der Vergangenheit dazu geführt, dass zusätzliche Angebote zur künstlerischen Freizeitgestaltung immer weiter in den Nachmittag und Abend verlegt wurden und Familien zusätzlich belastet haben. Eine enge Zusammenarbeit der Kitas und Schulen mit Künstlern und Kultureinrichtungen könnte auch hier für eine bessere räumliche und zeitliche Vereinbarkeit sorgen. „Wir nutzen das Engagement der Künstler und Pädagogen zu wenig. Viele machen das aus Berufung“, machte Simone Briese das noch nicht optimal genutzte Potenzial für die kulturelle Kinder- und Jugendbildung deutlich.
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